Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
- Keine Tags gefunden...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Vom totalen Staat zur totalen bürgerlichen Gesellschaft ' 333<br />
teils ideologisch-scheinbare Rolle als Vermittler zwischen den Klasseninteressen<br />
nicht mehr spielen, so daß, wenn es zu dem Konflikt<br />
kommt, die Bürgerkriegslage, die Forsthoff befürchtet, eintritt.<br />
Ein Bürgerkrieg in den hochindustrialisierten Staaten würde, wenn<br />
er in einer Situation begonnen werden würde, in der eine der Parteien<br />
nicht so stark ist, daß sie in relativ kurzer Zeit den Sieg erringen<br />
kann, einen entsetzlichen Rückfall in äußerste Barbarei bedeuten,<br />
von der sich selbst die fortschrittliche und demokratische Partei, falls<br />
sie gewinnen sollte, erst nach langer Zeit erholen könnte; die Greuel<br />
eines solchen Krieges würden alles, was während des Zweiten Weltkrieges<br />
in der Welt und danach in Algerien, Indonesien, Vietnam und<br />
anderswo an Greueln geschehen ist, noch in den Schatten stellen;<br />
man denke z. B. nur an die Weiterentwicklung der chemischen und<br />
biologischen Waffen. Weite Kreise der Linken in den westlichen,<br />
hochindustrialisierten Staaten, insbesondere unter den Intellektuellen,<br />
sind derart auf die Suche nach dem „revolutionären Subjekt" fixiert,<br />
haben die Fähigkeit des Systems zur Manipulation der Beherrschten<br />
in einem solchen Maße übersteigert (Religion, Chauvinismus waren<br />
schließlich auch recht beachtliche Manipulationsinstrumente), daß<br />
jede längerfristige Perspektive fehlt, was denn für eine Strategie<br />
einzuschlagen sei, wenn Krisen im staatsmonopolistischen Kapitalismus<br />
auftreten und die „unteren Schichten" nicht mehr in der alten<br />
Weise weiterleben wollen. Das hat sich im Mai 1968 in Frankreich<br />
sehr deutlich gezeigt; in der Euphorie darüber, daß sich in Teilen der<br />
Bevölkerung, vor allem unter den Jugendlichen, eine revolutionäre<br />
Stimmung ausbreitete, wurde jede konkrete Analyse der tatsächlichen<br />
Machtverhältnisse unterlassen, und man war bereit, sich in Abenteuer<br />
zu stürzen, die mit Sicherheit zu einer völligen Niederlage und Zerschlagung<br />
aller fortschrittlichen Kräfte geführt hätte, weil die Armee<br />
hinter de Gaulle stand und ein großer Teil der Bevölkerung, insbesondere<br />
das gesamte Bürgertum, sich, wenn es zum offenen Kampf gekommen<br />
wäre, für die „Partei der Ordnung" entschieden hätte. In<br />
dieser Situation meinten viele dem roten Banner des Marxismus zu<br />
folgen — und stolperten in Wirklichkeit nur dem roten Schopf eines<br />
beredten Studenten nach. Lenin hat zutreffend festgestellt, die Revolution<br />
könne nur siegen, wenn die „unteren Schichten" nicht mehr in<br />
der alten Weise weiterleben wollen und die „oberen Schichten" es<br />
nicht mehr können. Die zweite Voraussetzung muß auch gegeben sein;<br />
das heißt nicht, man solle einfach abwarten, bis der Kapitalismus<br />
zusammenbricht. Die „unteren Schichten" müssen vielmehr selbst die<br />
Unfähigkeit der oberen, die Macht zu behalten, bewirken. Die Auseinandersetzung<br />
darf aber erst dann aufgenommen werden, wenn die<br />
objektive Situation dazu drängt. Der Grundwiderspruch des Kapitalismus,<br />
der Widerspruch zwischen dem gesellschaftlichen Charakter<br />
der Produktion und dem privaten der Produktionsverhältnisse, demgemäß<br />
das gesellschaftlich Produzierte privat angeeignet wird 28 , muß<br />
28 Vgl. Basso, Zur Theorie des politischen Konflikts, edition suhrkamp<br />
308, S. 9 mit weiteren Nachweisen.