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Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...

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382 Uta Stolle<br />

stand vor dem staatlich-wirtschaftlichen Funktionalisierungsdruck<br />

durch rituelle Opferung der Studenten zu retten.<br />

Die Rückstandshypothese würde nun allerdings Studenten erwarten<br />

lassen, die nach Modernisierung verlangen, sie gerät aber in Widerspruch<br />

zu der tatsächlich existierenden und dominanten, sich sozialistisch<br />

verstehenden Bewegung, die die Gefahr gerade in der Bestimmung<br />

der reorganisierten Hochschule durch den Kapitalverwertungsprozeß<br />

sieht und daraus die Konsequenz der Notwendigkeit radikaler<br />

gesellschaftlicher Veränderung zieht. Der eine Ausweg aus dem<br />

offenkundigen Widerspruch von Erklärungsansatz und realem studentischen<br />

Verhalten besteht darin, die Hochschulsituation als verursachenden<br />

Faktor überhaupt fallenzulassen 27 , sie durch Identitätskrisen-<br />

oder Generationenkonflikttheoreme zu ersetzen, zu denen<br />

dann als Zusatzbedingungen die technischen Möglichkeiten treten,<br />

die die Hochschule bietet; angeführt werden hier die (tatsächlich<br />

wichtige) „numerische Konzentration" 28 oder der vorhandene Stab<br />

von „Assistenten, Schreibkräften, Vervielfältigungsmaschinen und<br />

Telefonen" 29 . Der andere „Ausweg" besteht darin, einerseits den<br />

dominierenden sozialistischen Teil der „studentischen Unruhe" als<br />

ideologisch verblendete, zudem fachlich eingrenzbare 30 „kleine, radikale<br />

Minderheit" zu diffamieren, andererseits die gemäßigt reformerischen<br />

Studenten als die wahren Repräsentanten studentischen<br />

Unbehagens emporzustilisieren.<br />

Zu dieser letzteren Taktik, die allgemein mit auffällig geringerem<br />

Energieaufwand als ihr Gegenstück, die Minderheitenjagd, betrieben<br />

wird, ist kurz zu sagen, daß keine Gründe für die Annahme plausibel<br />

gemacht werden können, das Bewußtsein dieser Gruppe reflektiere<br />

zutreffend die tatsächlichen Ursachen der Bewegung, sowie daß die<br />

regelmäßige Radikalisierung der jeweils als typisch gemäßigt in Anspruch<br />

Genommenen auf die Übergangsqualität des verabsolutierten<br />

bornierten Bewußtseins hindeutet.<br />

Ein gutes Beispiel für die korrespondierende Taktik, die Eliminierung<br />

des sozialistischen Protests als den einer irregeleiteten Minderheit,<br />

bietet das Theorem vom Protest des absteigenden Bildungs-<br />

27 Besonders typisch dafür Scheuch, Bürgerkrieg 22: „Sicherlich sollten<br />

wir sie (die veralteten Universitäten, U. S.) schleunigst reformieren.<br />

Hier wird lediglich behauptet, daß die Universitätsstruktur konkret nichts,<br />

nichts, nichts zu tun hat mit den wirklichen Ursachen des studentischen<br />

Protests..." Der Beweis: „Bezeichnend ist ja auch, daß die sich als Revolutionäre<br />

verstehenden Studenten nicht Reform nach dem Kriterium optimaler<br />

Leistungsfähigkeit fordern, sondern etwas, was sie mit dem Wort<br />

Demokratisierung' belegen."<br />

28 Scheuch, Bürgerkrieg, S. 25, 26.<br />

29 Schrenck-Notzing, S. 134.<br />

30 Den Trend zur Abqualifizierung einer durch fachliche Klassifizierung<br />

gewonnenen „kleinen Minderheit" spiegelt auch die Sorte „Erklärungen",<br />

die den Protest als die in Gebrüll umgesetzte Angst von 3000 Soziologie-<br />

und Politologie-Adepten ohne klaren Berufsweg begreift (in: Winkler,<br />

S. 53).

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