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Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...

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388 Uta Stolle<br />

dings, das scheinbar so fungible „Jugendprotesttheorem" enthält, das<br />

zeigen die Überlegungen Flacks/Kenistons, neue Bedrohung: die für<br />

potentiell systemsprengend gehaltenen Wert- und Verhältensdiskontinuitäten,<br />

die durch die „Jugendlichkeit" ihrer Träger verharmlost<br />

werden sollten, sind ja, wenn sie zum Teil auf veränderte Sozialisationsmuster<br />

zurückgehen, nicht beliebig aufhebbar, sondern stellen ein<br />

sich ausbreitendes „Übel" dar. Demgegenüber bleibt nur die zweifelhafte<br />

Hoffnung auf den Rückzug des Protests in die Subkultur 46<br />

oder die Wiederbelebung des Rechts auf Not und Prügel 47 .<br />

Hinzuweisen ist noch auf die Versuche, die Sozialisationsinstanz<br />

Schule für die Protestbewegung (mit-)verantwortlich zu machen. An<br />

ihnen wird deutlich, daß es hier ähnlich wie in der Universität darum<br />

geht, dysfunktionale Anachronismen zugunsten lückenloser Anpassungssysteme<br />

auszumerzen. Hier richtet sich die Anklage vor allem<br />

gegen den politischen Unterricht und lautet auf Vermittlung demokratischer<br />

Idealvorstellungen, die der Wirklichkeit nicht entsprechen;<br />

möglicherweise hat tatsächlich die politische Bildungsarbeit, verstärkt<br />

durch die reeducation programs liberal-demokratische Demokratieideale<br />

verbreitet und ein idealistisches, moralisches Engagement für<br />

Politik geweckt, das mit autoritären Familien-, Schul- und Hochschulstrukturen<br />

kollidieren und Einsichten in Funktion und Unerfüllbarkeit<br />

dieser Ideale im Spätkapitalismus provozieren konnte. Eben dieser<br />

Wertmaßstab, der unverfälschte demokratische Ideale bei ihrem<br />

Wort zu nehmen erlaubte, soll durch die Forderung nach einem Unterricht<br />

gebrochen werden, der Interessen- und Herrschaftsstrukturen<br />

nicht mehr ausklammert, sondern sie als Sachgesetzlichkeiten deklariert,<br />

beziehungsweise in ihrer eigentlichen Form ins 19. Jahrhundert<br />

verweist 48 .<br />

46 So schreibt Scheuch (Bürgerkrieg, S. 50), daß vielleicht „die Distanz<br />

zu den Werten der Erwachsenenwelt, insbesondere zur Leistungsgesellschaft<br />

... und zum sozialen Aufstieg, zur Ernährung im Wettbewerb ...<br />

durchaus nicht so unangemessen sei" angesichts der Tatsache, daß es kaum<br />

mehr Stellungen geben werde, in denen Wettbewerb vernünftig und die<br />

physisch und psychisch erträglich seien. Scheuch fährt dann fort: „Nicht<br />

angemessen selbstverständlich ist die Feindschaft einiger ideologischer<br />

Gruppen gegenüber dem Prinzip der Industriegesellschaft, in die diese<br />

Distanz jetzt umformuliert wird."<br />

47 Im Anschluß an die Klage über Mangel an Autorität in Staat und<br />

Gesellschaft fährt Harppredit fort: „Jede Generation hat ihr Anrecht auf<br />

Glück. Und auf ihr; Unglück ... Wir haben das Recht auf Melancholie und<br />

Verzweiflung unterschätzt" (41). Mit dem Ideal zureichender Ichbildung<br />

getarnt, sagt Scheuch das gleiche; im Anschluß an eine gefärbte Darstellung<br />

von Ergebnissen Kenistons fragt er: „Führt die von einem Mißverstehen<br />

Freuds inspirierte Erziehung dazu, daß einerseits die Antriebselemente<br />

unreflektierter Art ermutigt werden ..., andererseits das Über-<br />

Ich partiell stark ausgebildet ist, wogegen die Konfrontation des Individuums<br />

mit Restriktionen der Umwelt nicht ausreichend erfolgte." (Bürgerkrieg,<br />

S. 19).<br />

48 z. B. Leonhardt, S. 44.

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