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Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...

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412 Besprechungen<br />

genießen können, gegen das Proletariat sich wendet, das eine „Gefahr"<br />

für die <strong>Institut</strong>ionen der bürgerlichen Öffentlichkeit darstellte.<br />

Das räsonierende Publikum, das nicht mehr rein bürgerlich zu sein<br />

droht, besteht nun für Mill „aus wenigen Weisen und vielen Toren"<br />

(cf. 29). Auch die Wahrheit, die noch für Mills radikal-liberalen Vorgänger<br />

Bentham absolut, weil bürgerlich sein konnte, existiert für<br />

Mill nurmehr in einer relativierten Form, so daß er für einen Pluralismus<br />

plädiert, der im Zustande des Fehlens einer absoluten Wahrheit<br />

die Meinungsfreiheit garantiert (cf. 27, 63). Für diese Ansichten,<br />

die den Zustand reflektieren, in dem das Proletariat in die Sphäre<br />

der bürgerlichen Öffentlichkeit' vordringt, mußte Mill den Frühliberalismus,<br />

den er von seinem Vater James Mill und dessen Freund<br />

Bentham rezipierte, gründlich revidieren, und zwar auf drei Ebenen:<br />

der der politischen Ökonomie, der Regierungslehre und der Erkenntnistheorie<br />

(so die Kritik der „absoluten Wahrheit"). Hierbei spielt für<br />

Mill die Bekanntschaft mit Tocqueville und dessen Werk eine zentrale<br />

Bedeutung, was in einem Aufsatz, in dem Mill Tocquevilles<br />

Demokratie-Schrift würdigt (Edinburgh Review, Okt. 1840), besonders<br />

klar hervortritt.<br />

In Mills Regierungslehre finden seine Ansichten über Freiheit ihre<br />

praktische Anwendung. So wird z. B. für das allgemeine, allerdings<br />

abgestufte Wahlrecht plädiert. Als Maßstab für die Abstufung gilt<br />

der Grad der Intelligenz: „Ein Arbeitgeber ist durchschnittlich intelligenter<br />

als ein Arbeiter" (zit. nach Grabowsky, Einleitung, op. cit.,<br />

p. 69). Aber selbst dieses pervertierte allgemeine Stimmrecht war für<br />

das damalige Bürgertum unannehmbar. Mit seiner Revision des Liberalismus<br />

wollte Mill eine theoretische Konzeption formulieren, die<br />

garantiert, daß einerseits das erwachende Proletariat berücksichtigt<br />

wird — weshalb er auch das allgemeine Wahlrecht forderte —, ohne<br />

andererseits die bürgerliche Gesellschaft zu gefährden. Die bisher<br />

prägnanteste Charakterisierung des Millschen Denkens stammt von<br />

einem Zeitgenossen: „Männer, die noch wissenschaftliche Bedeutung<br />

beanspruchten, und mehr sein wollten als bloße Sophisten und Sykophanten<br />

der herrschenden Klassen, suchten die politische Ökonomie<br />

des Kapitals in Einklang zu setzen mit den jetzt nicht länger zu ignorierenden<br />

Ansprüchen des Proletariats. Daher ein geistloser Synkretismus,<br />

wie ihn John Stuart Mill am besten repräsentiert" (Marx,<br />

MEW, Bd. 23, p. 21).<br />

Bassam Tibi (Frankfurt/M.)<br />

Tocqueville, Alexis de: Das Zeitalter der Gleichheit. Auswahl<br />

aus Werken und Briefen. Übersetzt und hrsg. von Siegfried<br />

Landshut. Klassiker der Politik, Bd. 4. Westdeutscher Verlag, Köln<br />

und Opladen 2 1967 (266 S., br., 19,— DM/Ln., 26,— DM).<br />

Feldhoff, Jürgen: Die Politik der egalitären Gesellschaft.<br />

Zur soziologischen Demokratie-Analyse bei Alexis de<br />

Tocqueville. Beiträge zur soziologischen Forschung, Bd. 1. Westdeutscher<br />

Verlag, Köln und Opladen 1968 (212 S., kart., 22,— DM).

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