Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
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436 Besprechungen<br />
vor an der Basis der Gesellschaft", aber staatlich koordinierter „Pluralismus<br />
auf der Distributionsebene" (24). Letzterer sei etwa dadurch<br />
gekennzeichnet, daß „heutzutage" für Unternehmerverbände der<br />
Zwang bestehe, den Konsumenten gegenüber konkurrierend aufzutreten<br />
(Kohle — Erdöl), während sie der organisierten Arbeiterschaft<br />
als Einheit begegneten. Abgesehen davon, daß hier ein allgemeines<br />
Charakteristikum des Kapitalismus (nämlich Konkurrenzkämpfe<br />
zwischen Unternehmern oder deren Verbänden um profitrealisierende<br />
Marktanteile bei gleichzeitiger prinzipieller Einigkeit<br />
in der Methode der Mehrwertaneignung) als Spezifikum eines „Oligopolkapitalismus"<br />
auftritt, kommt die Analyse insgesamt in Schwierigkeiten<br />
beim Versuch, den der bürgerlichen Ideologie entlehnten<br />
Pluralismusbegriff kritisch gewendet dem eigenen Instrumentarium<br />
zuzuschlagen. Unbestreitbar nehmen die Interventionen des bürgerlichen<br />
Staates zugunsten von „Gruppeninteressen" (gezwungenermaßen<br />
die proletarischen bereichsweise eingeschlossen) zu. Die klassenspezifischen<br />
Unterschiede ihrer Größenordnung erlauben jedoch<br />
noch immer, Verteilungsverhältnisse als „wesentlich identisch mit...<br />
(den) Produktionsverhältnissen" oder „als eine Kehrseite derselben" 2<br />
zu definieren.<br />
Gelänge der Kunstgriff einer pluralistischen, gleichwohl kapitalistischen<br />
Distribution, wäre die „Verhüllung" der Produktionsverhältnisse<br />
in der Tat perfekt, eine Neuauflage des offenen <strong>Faschismus</strong><br />
kaum absehbar. Die verdoppelte Wirklichkeit erschiene selbst<br />
als manipulierendes Subjekt und, über jeden Versuch der konkreten/<br />
Veränderung von Machtverhältnissen triumphierend, nurmehr als<br />
Ganzes bekämpfbar.<br />
Den Verfall des demokratischen Bewußtseins im Spätkapitalismus<br />
untersucht Brückners Studie. Material findet er vor allem in öffentlichen<br />
und privaten Reaktionen auf die Westberliner Demonstrationen<br />
im Sommer 1967. Sein Motiv ist „Sorge um das Individuum" (95)<br />
in einem System, dessen Trennung von Arbeitszeit und passivem<br />
Konsum vorbehaltener Freizeit den Zustand befestigt, daß „Klassen<br />
nur noch in der sozialen Wirklichkeit, nicht mehr im Bewußtsein<br />
Vieler" (134) existieren. Die Unfähigkeit der Vielen, die fortdauernde<br />
„Differenz zwischen Glückserwartung und Erfüllung" (100) zu vermindern,<br />
beschleunigt ihre Bindung an im Dienste der Herrschaft<br />
unablässig propagierte Über-Ich-Ideale. Ihre Aggression richtet sich<br />
gegen Versuche, bestehende Autorität theoretisch oder praktisch in<br />
Zweifel zu ziehen: „die Demonstration funktioniert wie eine Sonde,<br />
die eine Eihaut abzieht, unter der, fertig und voll entwickelt, das<br />
faschistische Syndrom längst bereitliegt" (159).<br />
Der Verfasser kennzeichnet seine Methode als „Politische Psychologie",<br />
die sich „des Zusammenhangs zwischen der Lebensgeschichte<br />
der einzelnen Individuen und dem, was sie einander geschichtlich antun"<br />
(94), bewußt ist. Zuweilen scheint es aber, als ließe seine Vor-<br />
2 Karl Marx: Das Kapital, Kritik der politischen Ökonomie, Bd. 3, in:<br />
MEW Bd. 25, S. 585.