Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
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Bemerkungen zur <strong>Faschismus</strong>interpretation Ernst Noltes 295<br />
system entwerfen, unter das dann alle auftauchenden Interpretationen<br />
des <strong>Faschismus</strong> zu subsumieren wären. Nolte zufolge, gehen<br />
zwar alle <strong>Theorien</strong> über den <strong>Faschismus</strong> auf Identitätsthesen zurück,<br />
d. h. konkret: „Der <strong>Faschismus</strong> wird mit einer schon bekannten Erscheinung<br />
gleichgesetzt, mit dem Kapitalismus, dem Katholizismus,<br />
dem Liberalismus, der italienischen Vergangenheit, dem Militarismus,<br />
dem Absolutismus" (c 50). Dennoch komme keine Theorie umhin, bei<br />
der Beschreibung des Phänomens bestimmte Formunterschiede zu<br />
akzeptieren. <strong>Theorien</strong>, die auf einer relativen Differenz bei prinzipieller<br />
Identität von <strong>Faschismus</strong> und einer bekannten politischen<br />
Größe beharren, nennt Nolte „heteronomistisch". Zu ihnen wären<br />
primär die sozialistischen und kommunistischen Konzeptionen zu<br />
zählen, die den instrumenteilen Charakter des <strong>Faschismus</strong> betonen.<br />
Wird aber der relative Unterschied dermaßen exponiert, daß er sich<br />
in einen absoluten umwandelt, so schlägt Nolte die Bezeichnung „autonomistisch"<br />
vor. Von diesen <strong>Theorien</strong> wird der <strong>Faschismus</strong> als eine<br />
Erscheinung gedeutet, die auf nichts Bekanntes zurückführbar ist<br />
und die deswegen ihren „Agentencharakter" verloren hat. Aus dieser<br />
prinzipiellen Distinktion zwischen „heteronomistischen" und „autonomistischen"<br />
<strong>Faschismus</strong>theorien leitet Nolte zweierlei ab: 1. In modaler<br />
Hinsicht tendieren alle heteronomistischen Auffassungen dahin,<br />
im <strong>Faschismus</strong> eine notwendige Entlarvung ihres „Auftraggebers"<br />
zu sehen. Die autonomistischen Konzeptionen dagegen sehen in ihm<br />
ein Zwischenspiel oder einen Zufall (c 50). 2. In Hinblick auf die<br />
Praxis läßt sich sagen: je heteronomistischer eine Theorie ist, desto<br />
separierender wird sie sich auswirken, d. h. sie wird überlieferte<br />
Feindschaften verstärken; je autonomistischer sie jedoch ist, „um so<br />
ausgeprägter muß sie sich als koalierend erweisen, d. h. nach neuen<br />
Bündnissen rufen — es sei denn, sie betrachte den <strong>Faschismus</strong> gleichmütig<br />
als Zufall und Zwischenspiel" (c 51). Auf die anderen Distinktionen,<br />
also die Differenz zwischen regressiven und progressiven,<br />
antimodernen und modernen, singularisierenden und generalisierenden<br />
<strong>Theorien</strong> etc. (c 50 f.), braucht hier nicht eingegangen zu werden.<br />
Grundsätzlich stellt sich aber die Frage, ob eine solche Kategorisierung<br />
überhaupt vertretbar ist. Zu unvermittelt und ungeprüft scheint<br />
hier das „Entweder-oder" in ein „Sowohl-als auch" umgewandelt worden<br />
zu sein. Zu klären wäre also, ob es möglich ist, daß im gleichen<br />
Atemzug von singularisierenden und generalisierenden, von autonomistischen<br />
und heteronomistischen <strong>Theorien</strong> gesprochen werden kann,<br />
ohne die Einheit des Phänomens „<strong>Faschismus</strong>" in Frage zu stellen,<br />
und von welcher Instanz Nolte die Legitimität zu solcher „Toleranz"<br />
bezieht, die eine in kognitiver Hinsicht tendenzielle Gleichberechtigung<br />
aller <strong>Theorien</strong> impliziert.<br />
Deswegen sollte zunächst von dem die Rede sein, was nicht nur<br />
dem angedeuteten Kategoriensystem als konstitutives Moment vorausgeht,<br />
sondern auch den Methoden, mit denen Nolte das Phänomen<br />
des <strong>Faschismus</strong> darzustellen sucht: dem Objektivitätsbegriff. Dieser<br />
Objektivitätsbegriff visiert eine „höhere" Ebene an, auf der die <strong>Faschismus</strong>konzeptionen<br />
konservativer, christlich-kirchlicher, liberaler,