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Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...

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418 Besprechungen<br />

von ihm gepredigten Mythos es Mussolini leicht, die Sorelsche Theorie<br />

in seinen Dienst zu stellen 2 .<br />

Lichtheim analysiert in seinem Nachwort die Sorelsche Theorie stets<br />

unter Verweis auf den historischen Kontext, in dem sie entstanden ist.<br />

In dem damals zugleich von französischen Sozialisten und Royalisten<br />

gegen die bürgerliche Republik geführten Kampf findet Lichtheim<br />

die Erklärung für die eigenartige Mischung linker und rechter Ideen<br />

bei Sorel. Auch Sorels beispielloser Eklektizismus führte zu dieser<br />

Mixtur. Lichtheim zeigt, wie Sorel seine Argumente aus entgegengesetzten<br />

Quellen klaubte, ohne im geringsten auf die Intention ihrer<br />

Autoren sich einzulassen (379). Wenn Lichtheim auf die Vermengung<br />

linker und rechter Gedanken in Sorels Werk eingeht, so verfällt er<br />

keineswegs der geläufigen, insbesondere von E. Nolte vertretenen<br />

These von der Strukturkonvergenz des Marxismus und des <strong>Faschismus</strong>,<br />

die am Beispiel Sorels und Mussolinis behauptet wird. Für<br />

Lichtheim ist die Behauptung, Mussolini sei Marxist gewesen, ebenso<br />

eine Legende (388, Anm.) wie die vom Marxisten Sorel. Das gilt auch<br />

für die Jahre von 1893 bis 1905, in denen Sorel als angeblicher Marx-<br />

Interpret debütierte (357). Von Hegel hatte Sorel nicht die geringste<br />

Ahnung; sein geschichtsphilosophischer Ansatz stammt von Vico (367).<br />

Und die vielzitierte Begeisterung Sorels für Lenin beruht auf einem<br />

groben Mißverständnis (369) 3 .<br />

Berdings Sorel-Monographie ist eine gründliche Dissertation aus<br />

der Schule des Kölner Historikers Th. Schieder. Die Arbeit berücksichtigt<br />

das Gesamtwerk Sorels und verarbeitet die internationale Sorel-<br />

Literatur. In seiner Einleitung, die über die Sorel-Literatur berichtet,<br />

zeigt Berding, wieviel Verwirrung über Sorels Werk herrscht, in dem<br />

Positivismus, Pragmatismus, Lebensphilosophie, konservative Zivilisationskritik<br />

und nicht zuletzt der Marxismus unvermittelt nebeneinanderstehen.<br />

Eine Reihe von Interpreten überbetonen je einen Aspekt<br />

der Sorelschen Theorie und werden Sorel damit kaum gerecht.<br />

Und wo der Versuch unternommen wurde, Sorels Werk bruchlos zu<br />

interpretieren, mündet er in der stupiden These „rot gleich braun" —<br />

so etwa bei J. J. Roth, demzufolge Sorel die „gemeinsamen Elemente<br />

im Extrem von Links und Rechts erkannte" und sich deren Verschmelzung<br />

zur Aufgabe gemacht habe (cf. 11). Berding versucht eine<br />

Gesamtdarstellung des Sorelschen Werkes zu geben, wobei er es immanent<br />

interpretiert und zugleich seine historische Bedingtheit untersucht.<br />

Ausgehend von Hegels Diktum aus der Phänomenologie, wonach<br />

„die Wahrheit der Absicht nur die Tat selbst" sei (20), will Ber-<br />

2 Mussolini schreibt: „Georges Sorel verdanke ich am meisten ... Für<br />

mich ist die Gewalt moralisch ..., moralischer als Kompromisse und Verhandlungen<br />

... Der <strong>Faschismus</strong> wird sorelianisch sein." Z. n. R. Bertelé,<br />

ed., Panorama des zeitgenössischen Denkens, Frankfurt 1961, p. 295.<br />

3 Lenin selbst distanzierte sich von Sorel: es gebe Leute, „die nur Unsinn<br />

denken können. Zu diesen Leuten gehört auch der bekannte Konfusionsrat<br />

Georges Sorel". Zit. nach G. Eisermann, G. Sorel. Der geistige<br />

Vater des <strong>Faschismus</strong>, Mythos und Gewalt. In: Göttinger Uni-Zeitung, Jg.<br />

1948, Nr. 13, p. 9.

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