02.03.2014 Aufrufe

Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...

Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...

Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN
  • Keine Tags gefunden...

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Philosophie 415<br />

gensatz zu Karl Marx begreift er das Privateigentum nicht als Herrschaftsinstrument,<br />

gilt es ihm doch als Mittel der Emanzipation aus<br />

wirtschaftlicher Abhängigkeit ... Der Kapitalismus der großindustriellen<br />

Welt blieb Tocqueville letztlich ebenso unverständlich, wie<br />

die revolutionäre Situation des Industrieproletariats" (68). Die Pauperisierung<br />

des Industrieproletariats muß Tocqueville so als eine „unheilvolle<br />

Ausnahme" (67) erscheinen.<br />

Feldhoffs wertvolle Arbeit leidet, wie angedeutet, darunter, daß sie<br />

sich nicht mit dem Erkenntnisinteresse Tocquevilles befaßt; diesem<br />

ist Habermas nachgegangen (Strukturwandel der Öffentlichkeit,<br />

243 ff.). Er zeigt, daß das Problem des Durchdringens der <strong>Institut</strong>ionen<br />

der bürgerlichen Öffentlichkeit durch nichtbürgerliche soziale<br />

Kräfte den Hintergrund der Tocquevillschen Theorie bildete. Tocquevilles<br />

Untersuchungen egalitärer Tendenzen der bürgerlichen Gesellschaft<br />

an ihrem ausgebildeten Modell USA standen stets in diesem<br />

Kontext. Die von Tocqueville vorgeschlagene Vereinigung der Bürger<br />

zu politischen Gruppierungen, die als intermediäre politische Kräfte<br />

wirken sollen, kann nach Habermas nur im Zusammenhang mit dem<br />

Zerfall liberaler Öffentlichkeit und dem Reaktionärwerden des Bürgertums<br />

adäquat verstanden werden. Feldhoff hält diese Interpretation<br />

für ein „bezeichnendes Mißverständnis", welches darauf beruht,<br />

daß Habermas „ganz unbedenklich" das Schema der reaktionären<br />

Wendung des Bürgertums auf Tocqueville anwendet. Zwei Belegstellen<br />

sollen diese Behauptung untermauern (cf. 181, Anm. 242). Nach<br />

Feldhoff haben die corps intermédiaires bei Tocqueville lediglich die<br />

Funktion „der Sicherung einer relativen Autonomie der Glieder eines<br />

politischen Systems gegenüber der zentralen Machtinstanz" (91). Daß<br />

diese „Glieder" bei Tocqueville sich aus dem Bürgertum konstituieren,<br />

geht Feldhoff nicht ein. Es seien hier nur zwei Stellen von<br />

Tocqueville zitiert. „Die Mitglieder der Kammern (waren) in den<br />

ersten Zeiten der Republik viel hervorragendere Leute ... als heute.<br />

Sie gehörten fast alle jener Schicht von Eigentümern an, die mit<br />

jedem Tag mehr verschwindet. Jetzt hat das Land keine so ,glückliche<br />

Hand' mehr" (Landshut-Ausgabe, 248). Die corps intermédiaires sollen<br />

gerade diesen Zustand abwehren, denn „in einer Aristokratie besteht<br />

immer die Gewähr, daß inmitten der Freiheit eine gewisse Ordnung<br />

erhalten bleibt. Da die Regierenden viel zu verlieren haben, ist<br />

die Ordnung für sie von großem Interesse" (ibid., 44).<br />

Trotz gelegentlich auftauchender Interpretationsschwächen und apodiktisch<br />

formulierter, obgleich fragwürdiger Thesen wie der obigen<br />

bleibt es Feldhoffs Verdienst, Tocquevilles Werk aus der mißlichen<br />

Situation des „Zitatschatzes" und der „Prophetie des Massenzeitalters"<br />

befreit und als wichtigen Beitrag zur politischen Soziologie<br />

dargestellt zu haben.<br />

Bassam Tibi (Frankfurt/Main)<br />

Sorel, Georges: Überdie Gewalt. Nachwort von George Lichtheim.<br />

Reihe „Theorie 1". Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M. 1969<br />

(396 S., br., 12,— DM).

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!