Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
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464 Besprechungen<br />
Duldung und Rechtfertigung der Ermordnung von Millionen Menschen<br />
belegen. Freilich bleibt diese Anklage gegen die Kumpanei von<br />
.<strong>Faschismus</strong> und Kirche politisch ohnmächtig, da die Darstellung sich<br />
fast ausschließlich auf faschistische Äußerungen, nicht aber auf die<br />
gesellschaftliche Interessenidentität von <strong>Faschismus</strong> und Kirche<br />
stützt; sie ermöglicht so auch nicht, die heutigen Friedenspredigten<br />
des Vatikans auf die Fortdauer der Interessenidentität von Kirche<br />
und Kapitalismus bzw. Imperialismus zu beziehen.<br />
Deschners Arbeitsweise (Auszüge aus Reden, Schriften und Briefen)<br />
fixiert das Problem auf Personen, besonders auf die Päpste<br />
Pius XI. und Pius XII., was das Problem ebenso verharmlost wie die<br />
Definition des <strong>Faschismus</strong> als Cliquenbildung politischer Berufsverbrecher.<br />
Zudem können viele der Zitate die persönliche Beteiligung<br />
nicht einmal beweisen, da auch gegenteilige Äußerungen beigebracht<br />
werden können. Die Kirche setzt immer auf mehrere Pferde, damit<br />
sie auf jeden Fall vorne bleibt. Deschner fehlt jegliche sozialwissenschaftliche<br />
Fundierung. Unerklärt bleibt bei ihm, was den <strong>Faschismus</strong><br />
ermöglichte und welche Voraussetzungen der christlichen Religion<br />
zur Haltung des Vatikans führen konnten. So sehr Deschner die<br />
Kirche anklagt, kommt diese doch noch einmal glimpflich davon, da<br />
ihre gesellschaftliche Grundlage und die dazu passende religiöse Konzeption<br />
im Dunkeln bleiben. Deschner erkennt wohl, daß der Spanische<br />
Bürgerkrieg kein Religionskrieg war (25), verschweigt aber, was<br />
er sonst war. Solange die Empörung über den <strong>Faschismus</strong> und dessen<br />
religiöse Kollaborateure nicht über persönliche Vorwürfe und Rechtskategorien<br />
zu sozialwissenschaftlichen Analysen vordringt, können<br />
beide, <strong>Faschismus</strong> und Kirche, notfalls in einer modernisierten Form,<br />
fortexistieren.<br />
Hellmut G. Haasis (Tübingen)<br />
Brandenburg, Hans-Christian: Die Geschichte der HJ. Verlag<br />
Wissenschaft und Politik, Köln 1968 (348 S., Ln., 24,— DM).<br />
In der hier vorliegenden Studie versucht Brandenburg nicht nur<br />
„eine <strong>kritische</strong> Geschichte der HJ vorzulegen" (11), sondern „darüber<br />
hinaus ... die Entwicklung der jungen Generation zwischen den beiden<br />
Kriegen (zu) skizzier(en)" (11). Dies ist aber insofern unzutreffend,<br />
als er sich fast ausschließlich mit den organisierten Teilen der Jugend<br />
beschäftigt. Welchen Teilen der Jugendbewegung neben der HJ dabei<br />
seine besondere Aufmerksamkeit gilt, verdeutlicht ein Blick auf das<br />
Inhaltsverzeichnis: Der „bündischen Jugend" widmet er 44 Seiten, den<br />
konfessionellen Jugendverbänden 20 Seiten und der Studentenschaft<br />
mit 12 Seiten immer noch eine Seite mehr als den Organisationen der<br />
Arbeiterjugend. Dies steht fast im umgekehrten Verhältnis zur organisatorischen<br />
Stärke und politischen Bedeutung der angeführten Jugendorganisationen.<br />
Noch deutlicher wird dieses Mißverhältnis, wenn<br />
er über den Widerstand gegen das NS-Regime schreibt: Der „bündische<br />
Widerstand" füllt 24 Seiten, der der Arbeiterjugend 3 (!) Seiten. „Eine<br />
eindeutig feindliche Einstellung zur HJ und zum Streifendienst" (212)