Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
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Soziale Bewegung und Politik 427<br />
abhängige Presse im Sinne imperialistischer Interessen (77, 193).<br />
Gleichwohl verbindet er diese Feststellung mit einer Haltung elitärer<br />
Massenverachtung; die Massen nämlich bestehen ihm aus solchen, die<br />
„keine zwei Argumente zugleich prüfen können" und daher von den<br />
herrschenden Cliquen mühelos (und gleichsam „zu Recht") betrogen<br />
werden. In diesem Zusammenhang entwickelt er auch die von Lenin<br />
übernommene These von der Bestechung eines Teils der Arbeiterschaft<br />
durch den Imperialismus. Ein wesentliches Moment des Imperialismus<br />
sieht er auch in dessen innenpolitischer Stabilisierungsfunktion:<br />
Ablenkung der Massen von ihren Interessen durch heroische<br />
Außenpolitik; er zieht dabei einen sozialpsychologisch interessanten<br />
Vergleich zur Funktion des Sports, dessen passiv zuschauender<br />
Genuß ähnliche Bedürfnisse befriedige, die Hobson auf atavistische<br />
Antriebe zurückführt, die sich im „Stadtleben" nicht austoben<br />
könnten (193). Allerdings verwechselt er hier häufig die Ideologie<br />
mit den Interessen, denen sie dient, und gibt dann einen solchen am<br />
Sport orientierten aggressiven Nationalismus als Ursache des Imperialismus<br />
an.<br />
Die vom Standpunkt einer abstrakten Vernunft vorgebrachte Kritik<br />
an der ökonomischen und politischen Praxis des Imperialismus,<br />
die auch die „Verschwendung" großer Summen für Rüstung, Reklame<br />
etc. beklagt (95) — als gäbe es nicht die Rationalität der Profitmaximierung<br />
—, vor allem die Hoffnung auf Aufklärung, die umschlagen<br />
kann in resignierte Totalnegation, geben als Parallele zu bestimmten<br />
Theoremen der Studentenbewegung in ihrer Anfangsphase<br />
dem Text noch mehr Aktualität, als ihm von der Sache her schon<br />
zukommt.<br />
Ulrich Müller (Heidelberg)<br />
Küntzel, Ulrich: Der Dollar-Imperialismus — Die Gefahr<br />
des dritten Weltkriegs. Soziologische Essays. Luchterhand Verlag,<br />
Berlin und Neuwied 1968 (176 S., kart., 9,80 DM).<br />
Bürgerlichen Untersuchungen des US-Imperialismus fehlt die marxistische<br />
Methode, jene im „Ostblock" lassen die „Grundlage einer<br />
marxistischen Analyse" vermissen. „Ich wurde durch das allgemeine<br />
Unverständnis genötigt, meine Studie über die Kapitalausfuhr der<br />
USA ,Der Dollar-Imperialismus' zu nennen." 1 So Küntzel über die<br />
Dringlichkeit seines Unternehmens.<br />
Was sich solcherart epochemachend ankündigt, beschränkt sich denn<br />
auch nicht auf Analyse der nordamerikanischen Kapitalausfuhr; der<br />
Essay ist vielmehr als Versuch anzusehen, auf 108 Seiten Text und in<br />
einem 73 Seiten starken Anmerkungsteil dem Imperialismus in allen<br />
seinen Erscheinungsformen den entscheidenden theoretischen Schlag<br />
zu versetzen. Dem weltweiten Zusammenhang des Kapitals auf der<br />
Spur, setzt Küntzel zu einer Generalabrechnung mit dem System an.<br />
1 Ulrich Küntzel: Lenin, ein toter Hund, in: ad lectores, Neuwied und<br />
Berlin 1969, S. 90.