Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
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318 Rainer Kretschmer und Helmut J. Koch<br />
und Inhalt zurückblicken wie dieses Blatt, durch das der Begriff und<br />
die Geschichte des politischen Bürgertums in Deutschland während<br />
der letzten 100 Jahre beschrieben wird. Nach dem Erstën Weltkrieg<br />
unterstützte die FZ den Aufbau der Republik unter sozialdemokratischer<br />
Führung. Sie war während der Weimarer Zeit, in der sie<br />
wegen ihres ausgedehnten Informationsnetzes und wegen ihrer anspruchsvollen<br />
Analysen zum Weltblatt aufstieg, dann auch immer<br />
darum bemüht, auf die Gefahr hinzuweisen, die der Republik von<br />
links- und rechtsradikaler Seite drohe. Im Bewußtsein der Gefährlichkeit<br />
nationalsozialistischer Herrschaft, aber mit einigen Illusionen<br />
hinsichtlich der Widerstandskraft des Bürgertums, des Katholizismus,<br />
der Arbeiterschaft und schließlich selbst der Kommunisten<br />
setzte sich die FZ Anfang der dreißiger Jahre dafür ein, Hitler den<br />
Eintritt in die Regierung zu verwehren. Im März 1933 gab sie die<br />
auch für den nicht eingeweihten Leser erkennbare Opposition auf.<br />
Kurz darauf ging der Verlag in das Eigentum einer Gruppe über, die<br />
eng mit dem IG-Farben-Konzern verbunden war. Als die FZ 1943<br />
aus Anlaß eines ironisierenden Porträts eines alten Kämpfers verboten<br />
wurde, war ihre Auflage auf 30 000 Exemplare gesunken. Zu<br />
dieser Zeit bestand allerdings schon 3 Jahre lang ein auf die Mentalität<br />
bürgerlicher Schichten zugeschnittener Ersatz in der Wochenzeitschrift<br />
>Das ReichDas Reich< haben ohne<br />
Zweifel viel dazu beigetragen, die bürgerlichen Ästheten mit den<br />
groben Sitten der Faschisten zu versöhnen und auch ihre politischen)<br />
Bedenken zu zerstreuen. Natürlich war die Tonart anders als in der<br />
Parteipresse. Man sendete eben auf der Frequenz, auf der das Bürgertum<br />
für nationalsozialistische Vorstellungen empfänglich war,<br />
und insofern war die politische Funktion dieser Blätter, auf einen<br />
anderen Leserkreis abgestimmt, die gleiche wie die der Parteipresse:<br />
Werbung für den NS-Staat. Das hatte Goebbels erkannt und genutzt,<br />
und es fällt schwer zu glauben, daß die klugen Köpfe in den<br />
Redaktionen es anders gesehen hätten. Das soll nicht heißen, daß<br />
nicht tatsächlich, wie vor allem die Herausgeberin des Querschnitts<br />
durch die FZ bei jeder Gelegenheit behauptet, die meisten Redakteure<br />
und Mitarbeiter dem NS-Staat mit großer Zurückhaltung ge-<br />
16 Weitere Einzelheiten zu >Das Reich< findet man außer in der Einleitung<br />
zum Faksimile Querschnitt auch im dritten Kapitel des Buches<br />
von Abel.