Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
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Vom totalen Staat zur totalen bürgerlichen Gesellschaft ' 337<br />
Selbstschutz und Betriebsfürsorge der Monopole treten. Herrschaft<br />
läßt sich dann nur noch an den Produktionsverhältnissen unmittelbar<br />
kritisieren; gerade das Gegenteil der Habermasschen These ist richtig.<br />
Wo, wenn nicht an den Produktionsverhältnissen, könnte Kritik noch<br />
ansetzen, wenn der Kapitalismus alles, seinen eigenen Überbau, selbst<br />
Staat und Recht zerschlagen und das gesamte menschliche Leben unmittelbar<br />
seinen Verwertungsbedürfnissen unterworfen hat?<br />
Die Tendenz zur unmittelbaren, nicht mehr politisch-staatlichrechtlich<br />
vermittelten Herrschaft der Monopole, die sich auf alle Lebensbereiche,<br />
nicht mehr nur auf die Produktionsverhältnisse allein<br />
erstreckt, läßt einerseits den Grundwiderspruch des Kapitalismus<br />
offenkundiger werden, andererseits aber ist an die Stelle früherer<br />
Ideologie, die die „opake Gewalt der Verblendung" besaß, eine neue<br />
„eher gläserne Hintergrundideologie" 36 getreten, die die Wissenschaft<br />
zum Fetisch macht. Der wissenschaftlich-technische Fortschritt hat,<br />
wie Habermas und Marcuse zuzugeben ist, Legitimationsfunktion für<br />
den Kapitalismus übernommen. Unter der — wie ausgeführt, keineswegs<br />
gesicherten — Voraussetzung, es gelänge dem kapitalistischen<br />
System mit Hilfe technisch-wissenschaftlicher Systemsteuerung, Sicherheit<br />
und bestimmte Wohlstandsminima konstant zu gewährleisten,<br />
besteht allerdings die Gefahr, daß durch die Nutzbarmachung technisch-wissenschaftlicher<br />
Rationalität für die Irrationaliät des Gesamtsystems<br />
der Eindruck entsteht, die Aufhebung des Gesamtsystems<br />
müsse auch zur Aufhebung der in ihm scheinbar unlösbar enthaltenen<br />
technisch-wissenschaftlichen Rationalität führen. Der Eindruck der<br />
Unablösbarkeit des technischen Fortschritts von dem Kapitalismus<br />
hat seine Ursache in der Unfähigkeit einer an bloßer Zweckrationalität<br />
ausgerichteten Wissenschaft, den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang<br />
zu reflektieren oder gar zu transzendieren. Hinzu kommt,<br />
daß der technisch-wissenschaftliche Fortschritt, unabhängig in welchem<br />
gesellschaftlichen System er sich entfaltet, in der Tat bestimmte<br />
Formen der Produktion, bestimmte Formen der Organisation des<br />
menschlichen Zusammenlebens zwingend vorschreibt. Aufgabe linker<br />
Kritik kann es bei einer solchen Sachlage nur sein, den ideologiehaften<br />
Charakter, den Wissenschaft und Technik angenommen haben,<br />
zu zerstören, indem sie aufzeigt, was an Organisation, Zwang, Unterdrückung,<br />
Leistung gemäß dem Stand der Wissenschaft wirklich zur<br />
Entwicklung und Befriedigung menschlicher Bedürfnisse erforderlich<br />
und was zusätzliche Unterdrückung ist, die ihre Ursache in der kapitalistischen<br />
Produktionsweise hat. Eine Kritik von links indes, die<br />
die — unvermeidlichen — Rückwirkungen der Technik auf das gesellschaftliche<br />
System zur eindimensionalen Technostruktur hypostasiert<br />
und den bestimmenden Charakter der Produktionsverhältnisse<br />
leugnet, trägt zur Verdinglichung des — partiell — ideologischen<br />
Charakters von Technik und Wissenschaft bei.<br />
Die Arbeiter haben in den hochindustrialisierten kapitalistischen<br />
Staaten mehr zu verlieren als nur ihre Ketten. Die Behauptung,<br />
36 Habermas, Technik und Wissenschaft, S. 88.