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Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...

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Soziale Bewegung und Politik 435<br />

müht sich die Bourgeoisie, den „Staat den technischen und wirtschaftlichen<br />

Erfordernissen der heutigen Zeit entsprechend zu transformieren"<br />

(8). Störungsfreiheit der Wirtschaft und sozialer Frieden,<br />

vom <strong>Faschismus</strong> terroristisch aufrechterhalten, soll nunmehr mit<br />

„angemesseneren", manipulativen Mitteln so garantiert werden, „daß<br />

gerade die Abhängigen das System nicht nur akzeptieren, sondern<br />

auch verteidigen, das sie in Abhängigkeit hält" (21). Das formale<br />

Konkurrieren von zumindest zwei großen „pluralistischen" Parteien,<br />

die von ihrer gesellschaftlichen (Klassen-)Basis getrennt, zu „staatspolitischen<br />

Vereinigungen" (33) werden, erhält die Wählerillusion<br />

des freien Wettbewerbs erfolgreich aufrecht. In Wahrheit fungieren<br />

alle Parteien „als Klassenorgan der Konservation" (34), da nach wie<br />

vor einseitig die Abhängigen der politischen Artikulationsmöglichkeit<br />

beraubt sind. Das Parlament erfüllt — bei scheinbarem Funktionsverlust<br />

— eine wichtige Aufgabe als „Instrument der Veröffentlichung<br />

von Herrschaft" (66), indem Entscheidungen von Oligarchien<br />

der Bevölkerung als Beschlüsse ihrer eigenen Vertretung zur Kenntnis<br />

gegeben werden. Innerhalb des Systems stehen allein noch Führungskonflikte",<br />

d. h. „Konkurrenzkämpfe zur Ablösung der jeweiligen<br />

Führungsgruppe" zur Debatte, nicht mehr „Herrschaftskonflikte"<br />

zur Durchsetzung einander ausschließender Ziele (30 f.). Erst<br />

„wenn alle konstitutionellen Führungsgruppen das Vertrauen der<br />

Massen verlieren, die sodann — sofern sie ... keine Emanzipationsbewegung<br />

hervorbringen können — ihre Hoffnungen auf Gegenoligarchien<br />

setzen" (23), sind die friedlichen Mittel erschöpft; die herrschende<br />

Klasse kann unter diesen Umständen eine faschistische<br />

„Wachablösung" als Maßnahme gegen die Krise betrachten. Um der<br />

letzten Konsequenz zu entgehen, werden in vertrauensfördernden<br />

Hochkonjunkturphasen weitreichende notstandsrechtliche Machtsicherungen<br />

eingeführt, die sich so als „Krönung des Wohlstandsstaates,<br />

keineswegs als dessen Verneinung" (53) erweisen.<br />

1917, bei vergleichsweise unentwickelten Manipulationstechniken,<br />

konnte Lenin, an Marx' Analyse des bürgerlichen Parlaments erinnernd,<br />

bereits notieren, „auch in den allerdemokratischsten Republiken"<br />

bestünde „das wirkliche Wesen des Parlamentarismus" nur<br />

in der periodisch zu treffenden Entscheidung, „welches Mitglied der,<br />

herrschenden Klasse das Volk im Parlament niederhalten und zertreten<br />

soll..." 1 . Die Leitlinie, die Agnoli für eine systemsprengende,<br />

organisierte „Fundamentalopposition" (38, 73 f., 81) entwickelt, ist<br />

erheblich weniger eindeutig. Das allgemeine ökonomische Fundament<br />

aller Staatsverfassungen, die den Antagonismus zwischen Lohnarbeit<br />

und Kapital zum Ausdruck bringen, ist bei ihm nur als gleichsam<br />

selbstverständliche Voraussetzung erkennbar und mit jenen besonderen<br />

Mechanismen, die heute „den Herrschafts- und Repressionscharakter<br />

der Gesellschaft verhüllen" (13), kaum noch notwendig<br />

verbunden. Der Verfasser sieht sich vielmehr einer „verdoppelten<br />

gesellschaftlichen Wirklichkeit" (23) gegenüber: Polarität „nach wie<br />

1 W. I. Lenin: Staat und Revolution, 9. Aufl., Berlin 1967, S. 49.

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