Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
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Der Propagandaapparat des NS-Staates 311<br />
durchzuführen. Die aktuelle politische Ausrichtung, also die jeweilige<br />
Sprachregelung, vollzog sich zwischen Goebbels und Reichssendeleiter<br />
Hadamovsky. Beide erstrebten eine „Rundfunkeinheit unter<br />
dem Primat des Geistigen", d. h. Eingliederung der Rundfunkwirtschaft<br />
in die Reichsrundfunkkammer unter dem Primat propagandistischer<br />
Notwendigkeiten, was den Anspruch auf die Organisation<br />
der Wirtschaft nach ideologisch- propagandistischen Bedürfnissen der<br />
Faschisten, nicht den ökonomischen Bedürfnissen der kapitalistischen<br />
Produzenten bedeutete. Dieses Projekt mit dem dazugehörigen des<br />
„Reichsrundfunkrechts" — ausgearbeitet nicht vom Justizministerium,<br />
sondern von der Rechtsabteilung der Reichsrundfunkkammer !<br />
— scheiterte am Widerstand der traditionellen Ministerien der Post,<br />
Justiz und Wirtschaft.<br />
Zwar ist Goebbels als Reichspropagandaleiter der NSDAP, als Minister<br />
für Volksaufklärung und Propaganda, als Präsident der<br />
Reichskulturkammer und in Vertretung des Reichs als alleiniger Aktieninhaber<br />
der RRG in einer Machtposition ohnegleichen. Zugleich<br />
scheint er eine bloße Leerstelle zu sein, auf die die Macht gefallen ist.<br />
Goebbels bezieht seine spektakuläre Macht nicht aus entscheidenden<br />
Funktionen innerhalb der Produktionssphäre, seine Funktion ist eine<br />
rein restriktive. Er hat das ökonomische System gegen Gefährdungen<br />
zu schützen, nicht umzugestalten. Auf Machtverschiebungen zwischen<br />
den dominierenden, auf ökonomischer oder militärischer Hausmacht<br />
ruhenden Gruppen muß er seismographisch reagieren, er lenkt sie<br />
nicht. Die Doppelt- und Dreifachorganisierung z. B. der Rundfunkkompetenzen<br />
ist nicht Goebbelsscher Plan, sondern entspricht den<br />
bourgeoisen Interessen: Diese wurden schon vor der Machtergreifung<br />
nicht mehr öffentlich aufeinander abgestimmt, öffentliche Willensbildung<br />
wurde abgeschafft, nicht weil plötzlich die bourgeoisen Interessen<br />
übereinstimmten, sondern um die Konstituierung bzw. Weiterentwicklung<br />
einer sozialistischen Öffentlichkeit zu verhindern.<br />
Wie vorher werden die bourgeoisen Interessen nicht-öffentlich artikuliert:<br />
eben durch die Mehrfach-Organisierung der Kompetenzen.<br />
Das Goebbelssche Interesse verlangt vielmehr umgekehrt nach Straffung<br />
und Vereinfachung des Propagandaapparats. So propagiert er<br />
mit Hadamovsky das nationale Einheitsprogramm des Rundfunks<br />
und erreicht bis zur Jahreswende 1933/34 die Reduktion der 10 Programme<br />
auf 3 bis 4, doch im Frühjahr 1934 muß er diesen Plan wieder<br />
aufgeben. Die Gegenmaßnahmen Görings, im Juni 1933 begonnen,<br />
setzen sich durch, wobei dies ganz offensichtlich mehr ist als ein<br />
reiner Machtkampf: Der zur Expansion neigende Fachmann Goebbels<br />
wird vom weitsichtigeren Kollegen zur Ordnung gerufen. 1937 muß<br />
Goebbels Hadamovsky de facto entmachten. Am 28. 10. 1939 wird die<br />
Reichsrundfunkkammer endgültig aufgelöst, übrig bleibt lediglich<br />
die leere Hülse einer „Arbeitsgemeinschaft" der Rundfunkindustrie<br />
mit der Abteilung Rundfunk im RMVP. Die gleiche Reduktion des<br />
spezifisch faschistischen Apparats auf die bloße Funktion der politischen<br />
Kontrolle zeigt sich auf der Empfangsseite. Deren Kontrolle,<br />
etwa auch die Anordnung und Überwachung des Gemeinschafts-