Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
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310 Rainer Kretschmer und Helmut J. Koch<br />
schau und politische Tagesschriftleitung. Mehr als ein Viertel der<br />
vertraulichen Presseanweisungen bestand aus Schweigegeboten, weswegen<br />
das Press Department von Auslandskorrespondenten gern<br />
Suppress Department genannt wurde. Nach einer Anweisung vom<br />
11. 12. 1936 durften keine KZ-Berichte gebracht werden. Meldungen<br />
über KZ-Flüchtlinge oder Hochverratsprozesse durften nur in der<br />
Regionalpresse erscheinen.<br />
Die deutsche Öffentlichkeit war also nicht nur konzentrisch in ein<br />
Stufensystem der Publizität eingeordnet, sie war auch regional<br />
gleichsam in wasserdichte Schotten eingeteilt, die man bei einer örtlichen<br />
Havarie sorgfältig absperrte. Bewußt ließ Goebbels jedoch<br />
einen Teil der bürgerlichen Presse mit besonderen Privilegien bestehen.<br />
Ab 1937 gab es eine besondere „Glossenkonferenz" für „kommentarfähige"<br />
Zeitungen, zu denen die „Deutsche Allgemeine Zeitung",<br />
die „Frankfurter Zeitung", die „Kölnische Zeitung", die „<strong>Berliner</strong><br />
Börsenzeitung" gehörten. Sie hatten die Aufgabe, die Langeweile<br />
bei der Lektüre hin und wieder zu durchbrechen, mit der ihnen<br />
belassenen relativen Seriosität das Image des Regimes im Ausland zu<br />
stärken und in wichtigen Augenblicken von unmittelbar bevorstehenden<br />
Gewaltakten abzulenken und sie hinterher zu rechtfertigen. Die<br />
„<strong>Berliner</strong> Börsenzeitung", der „Financial Times" vergleichbar, war<br />
beispielsweise für antibolschewistische Kampagnen zuständig, wofür<br />
sie keineswegs extra gleichgeschaltet werden mußte.<br />
IV.<br />
Die Gleichschaltung des Rundfunks war zunächst relativ einfach.<br />
Er war erst 10 Jahre alt, also ohne feste Traditionen und Methoden.<br />
Politisch immer ein getreues Spiegelbild der herrschenden Parteienkonstellationen,<br />
brauchte er bloß weiterzuspiegeln. Die Rundfunkanstalten<br />
standen zum Zeitpunkt der Machtübernahme schon unter<br />
staatlicher Regie: Nach der Rundfunkreform von 1932 gingen private<br />
Geschäftsanteile an die Länder über, die Rundfunkgesellschaften<br />
wurden in gemeinnützige G.m.b.H.'s verwandelt, die technische und<br />
wirtschaftliche Leitung übernahm die Reichs-Rundfunk-Gesellschaft<br />
(RRG). So wurden nach der Machtergreifung lediglich noch die parlamentarischen<br />
Kontrollorgane ausgeschaltet und die Rundfunkgesellschaften<br />
in „Reichssender" umgewandelt. Die bisher vom Innenministerium<br />
ausgeübte politische Kontrolle ging nun an das<br />
RMVP über, desgleichen ein großer Teil der bisherigen Funktionen<br />
der Reichspost auf dem Gebiet von Verwaltung und Wirtschaft. Die<br />
beiden Rundfunkkommissare des Reichspost- und des Reichsinnenministeriums<br />
wurden durch einen nun dem RMVP unterstellten<br />
Reichsrundfunkkommissar ersetzt. Die Rundfunk-Führungspositionen<br />
waren weitgehend als Personalunionen organisiert; zum Beispiel<br />
war Hans Kriegler gleichzeitig Leiter der Abteilung Rundfunk im<br />
RMVP und in der Reichspropagandaleitung der NSDAP sowie Präsident<br />
der Reichsrundfunkkammer. Die politische Lenkung erfolgte<br />
teilweise durch die Abteilung Rundfunk im RMVP: Sie hatte unter<br />
vorgegebenen Primaten langfristige Planungen auszuarbeiten und