Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
- Keine Tags gefunden...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
256 Wolfgang Abendroth<br />
totalen Katastrophe im Kriege oder doch mindestens bis zur drohenden<br />
Katastrophe des Krieges grundsätzlich Anhänger des neuen politischen<br />
Systems. Daß die mit rüstungskapitalistischen Lösungen notwendig<br />
verbundene Steigerung der Gefahr außenpolitischer Katastrophen<br />
auch dieses System erhöht bedrohte, wurde dabei nicht einkalkuliert.<br />
Nach dem Zweiten Weltkrieg haben sich in einer ganzen Reihe<br />
von spätkapitalistischen Staaten soziale Bedingungen auf neuer Stufe<br />
reproduziert, die einige Tendenzen erneuert haben, die nach vergleichbaren<br />
politischen Lösungen drängen. Inzwischen ist auch in den<br />
Staaten, die vorübergehend im Zuge des Wiederaufbaus nach dem<br />
Zweiten Weltkriege die ältere Entwicklungsstufe liberaler Konkurrenzverhältnisse<br />
wiederherzustellen schienen (wie auch vor allem in<br />
der Bundesrepublik Deutschland), die Zentralisation und Konzentration<br />
des Kapitals sehr bald wieder übermächtig geworden, so daß der<br />
Konzentrationsgrad des Kapitals in der Periode der faschistischen<br />
Herrschaft noch bei weitem übertroffen wird. Deshalb ist spätestens<br />
nach den Rezessionen kurz vor dem Koreakrieg und 1966/67 den ökonomischen<br />
Führungsschichten abermals bewußt geworden, daß das<br />
jeweilige relative Gleichgewicht der Wirtschaft nur durch planende<br />
Integration von Wirtschaftsführung und Staatsführung garantiert<br />
bleiben kann. Erst eine größere Bedrohung durch wirtschaftliche<br />
Rückschläge läßt es erforderlich erscheinen, diejenigen Schichten mit<br />
Mittelstandsbewußtsein, die normalerweise das Gesamtsystem in<br />
Form der Unterstützung traditionaler Parteien akklamieren, durch<br />
neue Formen faschistischer Massenbewegungen zu mobilisieren. Solange<br />
es geht, werden die herrschenden Klassen dazu neigen, die<br />
Auseinandersetzungen um ihre Kompromißbildung untereinander<br />
und um die Grenzen der Konzessionen, die sie an die organisierte<br />
Arbeiterbewegung machen müssen, aus der Öffentlichkeit zu verdrängen.<br />
Das geschieht mit folgenden Mitteln: man verstärkt obrigkeitsstaatliche<br />
Züge, schaltet parlamentarische Auseinandersetzungen<br />
aus und verlagert die Kompromißvermittlung und eventuell notwendige<br />
Dezisionen an die Regierung, an Spitzen der Verwaltung<br />
und notfalls an Parlamentsausschüsse, die nichtöffentlich verhandeln.<br />
Man erzielt also autoritäre politische Veränderungen im Zeichen der<br />
„konzertierten Aktion" oder der „formierten Gesellschaft". Die herrschenden<br />
Klassen sind bei diesen Versuchen allerdings darauf angewiesen,<br />
in Bürokratie, Erziehungssystem, Justiz und Armee wie im<br />
Management an soziale Gruppen anzuknüpfen, die vorher in den<br />
faschistischen Herrschaftssystemen mitgewirkt haben, wenigstens soweit<br />
es postfaschistische Staaten wie die Bundesrepublik, Österreich<br />
und Italien betrifft. Als Integrationsmittel dient dabei die Mentalität<br />
des Antibolschewismus, die ebenfalls ein Teil der Mentalität des<br />
faschistischen Systems gewesen ist, während andere Seiten früherer<br />
faschistischer Denkformen wegen der Veränderungen durch den Ausgang<br />
des Zweiten Weltkrieges abgestreift werden mußten. Da gleichwohl<br />
ständig Teile der gewerblichen und bäuerlichen Mittelschichten