Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
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384 Uta Stolle<br />
Handlungsbereitschaft auszeichnete, und der universitären Verfassungswirklichkeit,<br />
gekennzeichnet durch Entpolitisierungsversuche<br />
(z. B. Kampf um das politische Mandat), sukzessive Einschränkung<br />
studentischer Mit- und Selbstverwaltung sowie Widersprüche in der<br />
Struktur universitärer Willensbildungsprozesse. Der Mangel eines<br />
allgemeinen Erklärungsrahmens (oder eines Versuches dazu), ohne<br />
den auch die <strong>Berliner</strong> Entwicklung nicht zu deuten ist, läßt diesen<br />
richtigen Ansatz jedoch völlig unzureichend erscheinen: nicht nur<br />
werden Konfliktursachen wie spätkapitalistische Involutionstendenzen<br />
nicht problematisiert, der Einfluß der Sozialrevolutionären Befreiungsbewegungen<br />
der „Dritten Welt" auf die Studentenbewegung<br />
nahezu völlig ausgeblendet, sondern auch die innere Hochschulproblematik<br />
wird nur höchst unzulänglich in Beziehung gesetzt zum<br />
Funktionswandel von universitärer Berufsbildung und Forschung.<br />
Die Darstellung, zudem organisationssoziologisch eingeschränkt, bleibt<br />
so auf der Ebene der Abschilderung der Senats-, Rektorats- bzw. Lehrkörperinteressen<br />
stehen und verliert sowohl den diese Ebene transzendierenden<br />
Interessenzusammenhang aus dem Auge wie auch die<br />
daraus resultierende Situation der ihm Unterworfenen, die unter<br />
zunehmendem Konkurrenz- und Leistungsdruck entfremdete Arbeit<br />
leisten sollen.<br />
Jugendspezifische Ursachen<br />
In den Beurteilungen des Studentenprotests zeigt sich ein zunehmender<br />
Konsensus, die in den Universitäten beginnende sozialistische<br />
Bewegung als „Proteste der Jugend" 323 zu definieren. Ausschlaggebend<br />
für die steigende Beliebtheit des Jugendtopos ist nicht sein<br />
möglicher empirischer Gehalt, sondern seine scheinbare Eignung zur<br />
Verdrängung des Problems von der politischen 33 und hochschulpolitischen<br />
Ebene 34 , sowie damit einhergehend zur psychologischen Relativierung<br />
studentischer Selbstinterpretation. Charakteristischen Ausdruck<br />
erhält diese doppelte Funktion in den Thesen Scheuchs, der,<br />
obwohl er kaum die Spur einer Theorie von „Jugendprotest" aufweisen<br />
kann, von den Vorteilen, die ihr Vorhandensein haben könnte,<br />
exzessiven Gebrauch macht: „Einige wie Sozialismus klingende Aussagen<br />
und einige provokante Verhaltensweisen werden nun von den<br />
32a Siehe Glaser/Stahl, S. 159 ff.<br />
33 „Der Rhythmus dieses Kommens und Gehens (der Jugendbewegungen,<br />
U. S.) steht in keiner deutlichen Beziehung zur manifesten politischen<br />
Geschichte." (Kuhn, S. 55.)<br />
34 Z. B. hält Kuhn seinen Generationenproblemansatz für nötig, um die<br />
„Heldenlegende von der dt. Studentenrevolte" zu zerstören, die, wie er<br />
fälschlicherweise annimmt, ihr Entstehen mit der Reformfeindlichkeit der<br />
dt. Ordinarien begründet und folgerichtig auf deren Entmachtung hinauslaufe.<br />
Wenn, wie er versucht, nachgewiesen werden kann, daß die Ursache<br />
der Unruhe mit der Universität nichts, aber alles mit dem Generationenkonflikt<br />
zu tun hat, ist die Universität mitsamt ihrem „vorinstitutionellem<br />
Faktum", dem „Lehrer, um den sich spontan Hörer versammeln"<br />
(7/8) gerettet.