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Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...

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Bemerkungen zur <strong>Faschismus</strong>interpretation Ernst Noltes 301<br />

rien zu dem Schluß kommt, daß beispielsweise die belgische Rexistenbewegung<br />

in ihrer Anfangsphase nur deswegen keine faschistische<br />

Partei genannt werden darf, weil sie weder über uniformierte<br />

Sturmtruppen verfügte noch „die kleinste Gewaltsamkeit auf ihr<br />

Konto zu schreiben" (b 275) war.<br />

Aber es kommt noch ein weiterer Mangel hinzu. Wie unzureichend<br />

nämlich der Versuch ist, die faschistischen Gruppierungen mit Hilfe<br />

einer Definition auf den Begriff zu bringen, die einerseits selbst noch<br />

der Erklärung bedarf und die andererseits stets neue Komplemente<br />

erfordert, bis sie auf die einzelnen konkreten Phänomene „paßt",<br />

wird vollends deutlich, wenn Nolte in dem Bild-Band „Der <strong>Faschismus</strong>"<br />

seine Kriterien-Konstruktion inhaltlich so ausführt: Als faschistisch<br />

könnten zwischen 1922 und 1945 nur solche Gruppen bezeichnet<br />

werden, die ihre spezifische Existenz auf die „praktische(n) Sympathie<br />

für Mussolini bzw. später für Hitler" gründeten. Dabei sei nicht entscheidend,<br />

ob „diese Sympathie auf der Basis einer eigenständigen<br />

Entwicklung" beruhe, sondern daß aus ihr „organisatorische und<br />

ideologische Konsequenzen" (d 157) folgten. Nolte schreibt: „Ein<br />

diffuses Wohlwollen ist höchstens philofaschistisch, eine noch so prononcierte<br />

Doktrin ist allenfalls faschistoid: erst der Wille zum farbigen<br />

Hemd, bildlich gesprochen, das heißt zum militanten Kampfverband<br />

ist ein unverwechselbares Merkmal des <strong>Faschismus</strong>. Dieser<br />

Wille muß zugleich den Trieb zur Selbstständigkeit mit sich führen:<br />

eine bloße Schlägerkolonne im Dienst anderer Mächte ist nicht faschistisch.<br />

Dieser Trieb zur Selbstständigkeit kann ohne die Tendenz zu<br />

einer eigentümlichen — auch von dem verbündeten Konservativismus<br />

abweichenden Ideologie nicht existieren, er muß aber nicht notwendig<br />

in unzweideutiger Klarheit vorliegen, so wenig wie der Wille<br />

zur Uniform jederzeit realisiert sein muß. Auf der anderen Seite genügt<br />

der Begriff des nicht-staatlichen Kampfverbandes keineswegs,<br />

um den Begriff des <strong>Faschismus</strong> zu erfüllen, sonst hätten ja die Petersburger<br />

Roten Garden faschistisch sein müssen ... ,<strong>Faschismus</strong>' bedeutet<br />

weit eher eine Tendenz als totale Deckungsgleichheit in der<br />

Anschauung: es gibt eine Fülle von zweifelhaften Misch- und Übergangsformen,<br />

aber die praktische Sympathie für die Bewegungen<br />

Mussolinis und Hitlers' ist die einfachste Orientierungshilfe" (d 157).<br />

Man sieht, daß die aufgeblähte Begriffsapparatur, die, auf eine bestimmte<br />

Grunddefinition fixiert, gezwungen ist, für jede Erscheinungsform<br />

des <strong>Faschismus</strong> immer neue Deskriptionsvarianten einzuführen,<br />

vor sich selbst kapituliert: was sich angesichts der komplexen<br />

Oberfläche des Gegenstandes durchhält, ist nichts als das Mittelmaß<br />

einer Faustregel, deren dünnes Substrat uns Nolte als die „Identität"<br />

des <strong>Faschismus</strong> anbietet. Auch wenn man unterstellt, daß jene Typologien<br />

eine nuancierte Beschreibung der einzelnen Faschismen nicht<br />

ausschließen, kommt es bestenfalls zu einer bloßen Reproduktion des<br />

Gegenstandes: zu seiner Erklärung wird nicht nur nichts beigetragen,<br />

sondern sogar von ihr abgelenkt: was kategorial beschrieben erscheint,<br />

ist konsumerabel und- verliert seine bedrohlichen Perspektiven. Nicht<br />

formale Identitäten, sondern die materiellen Ursachen des <strong>Faschismus</strong>

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