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Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...

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274 Reinhard Kiïhril<br />

Unzulänglichkeit. Der Kapitalismus benötigte eine politische Gewalt,<br />

die, durch keinerlei Rücksicht auf Verfassungsnormen, oppositionelle<br />

Parteien und Gewerkschaften gehemmt, die Konjunktur wieder in<br />

Gang setzte — und zwar durch Staats-, vornehmlich Rüstungsaufträge.<br />

Nur so konnte die soziale Herrschaftsposition der Oberklassen<br />

wieder gefestigt werden. Es kam also nicht nur darauf an, die KPD<br />

als Hauptfaktor einer potentiellen Volksrevolution auszuschalten,<br />

wobei ohnehin Zweifel anzumelden sind, ob die KPD überhaupt ein<br />

solcher Faktor war. In dieser Lage bedeutete bereits die Existenz der<br />

reformistischen Arbeiterbewegung eine Gefährdung des kapitalistischen<br />

Systems, denn Gewerkschaften und Sozialdemokratie konnten<br />

trotz äußerster Anstrengung, sich den Forderungen der Unternehmer<br />

anzupassen und die Lasten der Krise den Lohnabhängigen aufzubürden,<br />

eine bestimmte Grenze der Konzessionsbereitschaft nicht überschreiten,<br />

ohne ihre Massenbasis einzubüßen und sich selbst aufzugeben.<br />

Daran war bereits das letzte halbwegs parlamentarisch legitimierte<br />

Kabinett Hermann Müller 1930 gescheitert. Die „Bedrohung<br />

des Systems" lag also weniger in einer bevorstehenden „Volksrevolution"<br />

begründet als in der Tatsache, daß der Kapitalismus auf dem<br />

herkömmlichen Wege der Selbststeuerung und mit den Mitteln der<br />

parlamentarischen Demokratie seine tiefe Krise nicht überwinden<br />

konnte. Dieser Faktor hat freilich nur in Zusammenhang mit dem<br />

Wunsch der deutschen Oberklassen nach Wiederaufnahme der 1918<br />

gescheiterten Machtpolitik einerseits und mit der Existenz einer starken<br />

kommunistischen Partei, die zwar keine akute Bedrohung darstellte,<br />

sich aber potentiell zu einem revolutionären Faktor hätte entwickeln<br />

können, andererseits zum <strong>Faschismus</strong> geführt. In England<br />

und den USA reichte eine partielle „Formierung" aus, um das kapitalistische<br />

System in der Krise zu bewahren, weil die beiden anderen<br />

Faktoren fehlten.<br />

Will man die Perspektive der herrschenden Klasse auf vereinfachte<br />

Formeln bringen, so könnte man sagen: Die faschistische Bewegung<br />

wird unterstützt, sobald sich erweist, daß die herkömmlichen bürgerlich-demokratischen<br />

Parteien ihre Massenbasis an die faschistische<br />

Partei verlieren, d. h. sobald diese Partei ein politischer Machtfaktor<br />

geworden ist. Sie wird unterstützt, weil die herrschende Klasse für<br />

ihre Politik eine Massenbasis braucht, weil die faschistische Partei<br />

für die grundsätzlichen Ziele der herrschenden Klasse in der Innenwie<br />

in der Außenpolitik zu gewinnen ist, weil diese Partei die Unzufriedenheit<br />

der Massen artikuliert, absorbiert und zugleich in eine<br />

Richtung lenkt, die für das soziale Herrschaftssystem nicht nur ungefährlich,<br />

sondern äußerst nützlich ist: weil sie sich nämlich als<br />

Terrorinstrument gegen die Linke einsetzen läßt.<br />

3. Mit der Bestimmung der Motive der ökonomischen Führungsgruppen<br />

bei der Unterstützung der faschistischen Bewegung ist noch<br />

nichts über das Verhältnis von ökonomischer Herrschaft und politimung,<br />

in: ders., Deutschland zwischen Demokratie und <strong>Faschismus</strong>, Reihe<br />

Hanser 14, 2. Aufl., München 1969, S. 143 ff.

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