Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
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264 Reinhard Kiïhril<br />
gungsprinzip der Weltanschauung werde im Führerstaat zur Ruhe<br />
kommen, der Nationalsozialismus werde seine Energie auf staatlicher<br />
Ebene gestalterisch verausgaben und sich dann als Träger des Staates<br />
verstehen, so betrachteten Hitler und die Partei den Staat nicht<br />
als die letzte Instanz der nationalen Ordnung und Geschichte. Ihre<br />
völkischen und rassischen Vorstellungen bildeten zusammen mit dem<br />
Führerprinzip die Grundlagen eines neuen, Innen- und Außenpolitik<br />
gleichermaßen umfassenden Leit- und Aktionsbildes, in welchem der<br />
,Staat' als solcher, als eine statische Größe, nur in dem Maße Daseinsberechtigung<br />
besaß, als er funktionell eingepaßt werden konnte<br />
in die Dimensionen und Perspektiven des nach Führerweisungen ablaufenden<br />
Bewegungsprozesses der völkischen Energie" (8). Wahrscheinlich<br />
hält er das für geschichtsphilosophische Betrachtungen.<br />
Innerhalb des Nationalsozialismus unterscheidet Messerschmidt zwischen<br />
einem „gesunden" oder „purifizierten Nationalsozialismus" (13)<br />
und „revolutionären" oder „radikalen" Elementen. Damit sind — wie<br />
bei Kielmansegg — die hauptsächlich in der SA konzentrierten plebejisch-aufrührerischen<br />
Kräfte gemeint, die auf Kampfmaßnahmen<br />
gegen die Oberklassen, mindestens aber auf soziale Sicherstellung<br />
auf Kosten der Oberklassen drängten und deshalb im Sommer 1934<br />
mit der Billigung von Militär und Wirtschaft niedergeworfen und<br />
zum Teil ermordet wurden. (Allerdings entsprach auch der <strong>Faschismus</strong><br />
der folgenden Jahre wegen seiner Irrationalität und seiner latenten<br />
Bedrohung auch der „gehobenen Stände" nicht ganz dem Bild<br />
des Militärs von einer ordentlichen Diktatur.)<br />
Im Hauptteil seines Buches stellt der Autor die Erziehungsarbeit<br />
dar, die während des Dritten Reiches von den militärischen Führungsgremien<br />
geleistet wurde. Dabei geht es ihm besonders um die<br />
Frage, in welchem Maße spezifisch nationalsozialistische Ideologie im<br />
Militär verbreitet worden ist. Er kommt zu dem Ergebnis: „Die<br />
Wehrmacht hat dies alles nicht nur .erlitten', ihre oberste Führung<br />
hat maßgeblich daran mitgearbeitet" (490). Die Generalität habe den<br />
nationalsozialistischen Staat und seine Politik „ganz überwiegend<br />
bejaht" (489). Im Bereich der reinen Fakten, soweit sie in den Akten<br />
auffindbar sind, ist diese Darstellung zuverlässig. Selbst in der Generalisierung<br />
dieser Fakten läßt der Autor Courage erkennen, wenngleich<br />
die von Kielmansegg vorgezeichnete Rechtfertigung sich ständig<br />
dazwischenmischt („überall erlag die Wehrmacht der verderblichen<br />
Kunst der Parteisimplifikateure ..."; 483). Das bedenklichste an diesem<br />
Buch ist, daß der Autor die Ideologie der „Kräfte der nationalen,<br />
Tradition" (15) bruchlos fortführt und sich selbst dabei als kritisch<br />
versteht. Sogar die faschistische Parole von der „Überwindung der<br />
Klassengegensätze" im Dritten Reich wird unreflektiert übernommen<br />
(482), und am Ende erscheint die europäische Machtpolitik des<br />
Nationalsozialismus als Ausfluß „liberal-demokratischen Denkens"<br />
und die „preußische Tradition" (483) zusammen mit einer „neuen<br />
Form der Transzendenz" (9) als Wall gegen den <strong>Faschismus</strong>. Daß 1933<br />
in Deutschland „angesichts der Schwäche der deutschen Republik"<br />
Ordnung, Sicherheit und militärische Stärke geschaffen werden muß-