Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
- Keine Tags gefunden...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
266 Reinhard Kiïhril<br />
Eine Darstellung des deutschen Widerstands, die sich auf den 20.<br />
Juli konzentriert und dieser Bewegung einen prinzipiell gegen das<br />
System gerichteten Charakter zuspricht, muß zweierlei erklären:<br />
1. Warum werden die Gruppen des 20. Juli in den Vordergrund<br />
gestellt und nicht die Widerstandsgruppen der Linken, die zahlenmäßig<br />
einen weit größeren Umfang hatten, deren Widerstand viel<br />
früher einsetzte, die zu keiner Zeit mit dem faschistischen System<br />
kooperiert haben und die erheblich mehr Opfer bringen mußten?<br />
2. Warum setzte der Widerstand militärischer und administrativer<br />
Führungsgruppen erst 1938 ein, wenn er doch angeblich gegen die<br />
faschistische Diktatur grundsätzlich gerichtet war?<br />
Hoff mann antwortet:<br />
Zu 1. Was Widerstand „eigentlich ausmacht, nämlich (der) Staatsstreichversuch"<br />
(10), treffe nur auf die Gruppen des 20. Juli zu. Nach<br />
seiner Ansicht ist das auch gut so, denn „nur wenige hochgestellte<br />
Funktionäre einer solchen Gesellschaft haben rechtzeitig den nötigen<br />
Einblick in die Realitäten der Lage und zugleich die Macht. ... Nur<br />
wenige können jeweils zweifelsfrei beurteilen, ob und wann ein geleisteter<br />
Eid, wann Treue sinnlos werden " (10 f.). Also: eine ziemlich<br />
willkürliche Definition dessen, was Widerstand „eigentlich" sei,<br />
verbunden mit elitärer Ideologie, die in auffallender Weise dem<br />
Selbstverständnis der Verschwörer entspricht. Von einer <strong>kritische</strong>n<br />
Distanz zu seinem Gegenstand ist in diesem Buch nichts zu bemerken.<br />
Zu 2. Um diese Gruppen zu konkreten Widerstandsplanungen zu bewegen,<br />
bedurfte es nach Hoffmann „des Anstoßes der akuten Gefahr<br />
eines großen Krieges" (10). Diese Begründung ist zwar noch nicht<br />
präzis genug, weil diese Gruppen 1938 wie auch später nicht gegen<br />
den Krieg grundsätzlich, sondern nur gegen diesen Krieg zu diesem<br />
— in ihren Augen höchst ungünstigen — Zeitpunkt votierten, der<br />
keine Erfolgsaussichten bot. Immerhin könnte dieser Ansatz zu einer<br />
Analyse darüber weiterentwickelt werden, was den Führungsgruppen<br />
aus Militär und Bürokratie denn am Dritten Reich konkret mißfiel<br />
— und was ihnen nicht mißfiel. Schon die Begründung Hoffmanns<br />
zeigt, daß sie gegen den faschistischen Terror im Innern —<br />
soweit er nicht die eigene Klasse traf — offenbar wenig einzuwenden<br />
hatten. Das Geschichtsbild Hoffmanns läßt sich nach alledem<br />
schon fast erraten: „rechts- und linksextreme" Elemente, der „dämonische<br />
Demagoge Adolf Hitler", die Intrigen „politischer Abenteurer<br />
und ... Verblendeter", „wilde Streiks" und „Arbeitslosigkeit" richteten<br />
die Weimarer Republik zugrunde (15 ff.). Letzten Endes resultierte<br />
das alles aus dem „Verlust der absoluten Werte" (22), die Hoffmann<br />
leider nicht näher definiert. Selbst empirisch längst widerlegte<br />
Geschichtslegenden werden hier neu aufgelegt: der <strong>Faschismus</strong><br />
konnte „alle Gegner ausschalten, ohne die Legalität verlassen zu<br />
müssen" (20); die KPD sei von Moskau von Widerstandshandlungen<br />
abgehalten worden, weil dort die Überzeugung herrschte, „ein faschistisches<br />
Regime könne die innere Selbstzerstörung Deutschlands nur<br />
fördern und den Boden für die kommunistische Machtübernahme