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Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...

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Die Ursachen der Studentenbewegung 387<br />

Akzentuierung des demokratisch-egalitären Charakters zwischenmenschlicher<br />

Beziehungen (2) durch eine sowohl permissive wie<br />

selbständigkeitsfördernde Erziehung (3), durch Betonung expressiver<br />

oder politischer, d. h. nicht nur leistungsorientierter Wertcanones. So<br />

erzogene Menschen sind disponiert, sich institutioneller und hierarchischer<br />

Repression zu widersetzen und — dank der Herkunft — materielle<br />

oder statusmäßige Kompensation zurückzuweisen. Vorausgesetzt,<br />

dieser Zusammenhang zwischen sich ändernden Sozialisationsmustern<br />

und Protestdipostion ließe sich erhärten, so muß doch gewarnt werden<br />

vor einer restriktiven Interpretation, vor allem aber vor der Fehleinschätzung<br />

der Reichweite dieses Ansatzes. Bezüglich der Interpretation<br />

darf nicht vergessen werden, daß die bezeichneten Veränderungen<br />

der Sozialisationsmuster, also auch das durch sie definierte Protestpotential,<br />

sich nicht auf die upper-middle-class beschränken, sondern<br />

dort nur besonders deutlich sind. Zur Reichweite des Ansatzes<br />

ist anzumerken: a) Es ist fraglich, ob die von Flacks/Keniston bezeichnete<br />

Gruppe die für den Studentenprotest allein typische oder ihn<br />

hauptsächlich tragende ist. b) Für andere, weniger privilegierte gesellschaftliche<br />

Gruppen sind Politisierungschancen nicht etwa von der<br />

Durchsetzung der beschriebenen Sozialisationsmuster abhängig, sondern<br />

können unter gänzlich anderen Bedingungen entstehen.<br />

Die Gefahr der Verabsolutierung jugendspezifischer Protestbedingungen<br />

wird ganz deutlich in dem Ansatz Hollsteins. Nicht nur begründet<br />

der Autor die starke Reaktion junger Menschen auf die — mit<br />

Marcuseschen Begriffen definierten — spätkapitalistischen Involutionsprozesse<br />

mit der „vorzüglich biologischen Notwendigkeit nach<br />

Freiheit und Ungebundenheit des Heranwachsenden" 44 , ein Konflikt,<br />

der sich in den sich ausdehnenden <strong>Institut</strong>ionen sekundärer Sozialisation<br />

aktualisiere; Hallstein begrüßt den so schon fragwürdig begründeten<br />

Jugendprotest noch dazu als alleinigen Nachfolger der angeblich<br />

unwiderruflich integrierten Arbeiterklasse: „An die Stelle eines<br />

Klassenbewußtseins tritt das Generationsbewußtsein jugendlicher Rebellen<br />

und erwachsener Verteidiger der Ordnung" 4ä .<br />

Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß sowohl die verschiedenen<br />

bundesrepublikanischen Ressentiments wie die zum Vergleich<br />

zitierten Untersuchungen von Flacks/Keniston hindeuten auf ein<br />

durch Veränderung in der primären Sozialisation gefördertes Potential<br />

an subjektiver Disposition zur Wahrnehmung und Bekämpfung<br />

gesellschaftlicher Widersprüche. Der wesentliche Unterschied besteht<br />

in der Weise der Auflösung der festgestellten Diskrepanz zwischen bestehender<br />

Gesellschaft und den damit konfligierenden artikulierten<br />

Bedürfnissen der in ihr Heranwachsenden. Anders als bei Flacks/<br />

Keniston läßt sich für die BRD feststellen, daß statt der als sachgesetzliche<br />

Notwendigkeit tabuierten, bürokratisch vermittelten Fremdbestimmung,<br />

das Versagen der Primärgruppe angegriffen wird, die<br />

Heranwachsenden jener Bestimmung entsprechend abzurichten. Aller-<br />

44 Hollstein, S. 19.<br />

45 Hollstein, S. 22.

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