Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
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276 Reinhard Kiïhril<br />
ein beträchtliches Gewicht. Im Falle von Konflikten zwischen verschiedenen<br />
Konzerngruppen oder verschiedenen taktischen Konzeptionen<br />
fungierte sie als letzte Entscheidungsinstanz. Die ökonomischen<br />
Machtgruppen waren darauf angewiesen, um einflußreiche Positionen<br />
im Vorfeld (in den Beratungsgremien usw.) zu kämpfen und<br />
die politische Führung für ihre Ziele zu gewinnen. Dagegen besteht<br />
kein Zweifel daran, daß sich alle politischen Entscheidungen des faschistischen<br />
Staates im Rahmen der grundsätzlichen Interessen und<br />
Ziele hielten, über die sich die verschiedenen Fraktionen der herrschenden<br />
Klasse untereinander (und mit der faschistischen Exekutive)<br />
einig waren. Im Bereich sozialer Herrschaft konnten die Oberklassen<br />
ihre Wünsche und Interessen so gut wie vollständig verwirklichen<br />
— abgesehen von einigen sozialen Bonbons, die zur langfristigen<br />
Sicherung des Gesamtsystems opportun erschienen. Weder die<br />
Bauern noch der „Mittelstand", die von der faschistischen Ideologie<br />
beide zum Rückgrat der Nation ernannt und von der Propaganda<br />
ständig umschmeichelt wurden, konnten auch nur ihre elementarsten<br />
Interessen wahren 9 . Und was die Lohnabhängigen betrifft, so wurden<br />
sie auf gesetzlichem Wege aller Rechte beraubt und in Befehlsempfänger<br />
der Unternehmer, der Tendenz nach schließlich in „dienstverpflichtete<br />
Zwangsarbeiter" verwandelt (98).<br />
Bei der Frage nach dem Verhältnis zwischen <strong>Faschismus</strong> und Kapitalismus<br />
darf der außenpolitische Aspekt nicht übersehen werden.<br />
Hier weist die sowjetische Darstellung darauf hin, daß die herrschenden<br />
Kreise in den westlichen Ländern mit einer beträchtlichen Sympathie<br />
auf das faschistische Deutschland blickten, das den Klassenkampf<br />
in so wirksamer Form „überwunden" hatte und sich überdies<br />
anschickte, den Bolschewismus auch im internationalen Kräftefeld zu<br />
vernichten. Diese auf gemeinsamer Interessenlage beruhende Sympathie<br />
bewirkte nicht nur eine großzügige Haltung der westlichen<br />
Regierungen gegenüber dem deutschen <strong>Faschismus</strong> (z. B. beim<br />
deutsch-englischen Flottenvertrag, bei der Tolerierung der vertragswidrigen<br />
Aufrüstung und der verschiedenen Annexionen vor 1939),<br />
sondern auch wirtschaftliche Hilfeleistungen etwa durch amerikanische<br />
Konzerne. Aber: „Die Versuche der Westmächte, das faschistische<br />
Deutschland zu ,befrieden', um es als Waffe gegen die Sowjetunion<br />
zu verwenden, änderten ... nichts an den tiefen imperialistischen<br />
Widersprüchen zwischen ihnen und den faschistischen Staaten.<br />
Deutschland griff unaufhörlich nicht nur die wirtschaftlichen, sondern<br />
auch die politischen Positionen Großbritanniens, Frankreichs<br />
und der USA an" (a, Bd. 9, 342). Am Beispiel der südosteuropäischen<br />
Staaten, der Türkei, des arabischen Raumes und Lateinamerikas<br />
führt das Buch vor, was diese Konkurrenzsituation konkret bedeutete.<br />
Nur deshalb konnte die Strategie der Sowjetunion Erfolg haben,<br />
9 Das geht auch aus der Untersuchung von D. Schoenbaum, Die braune<br />
Revolution. Eine Sozialgeschichte des Dritten Reiches, Köln-Berlin 1968,<br />
hervor, die in der Interpretation allerdings Mängel aufweist (dazu R.<br />
Kühnl, Der deutsche <strong>Faschismus</strong>, in: Neue Politische Literatur 1970, H. 1).