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Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...

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Soziale Bewegung und Politik 467<br />

3. die Mißverständnisthese. Sie beruft sich auf das angeblich gescheiterte<br />

Konzept der „Machtteilhabe durch Öffnung gegenüber dem<br />

Nationalsozialismus" (Reichenau, Blomberg 52 ff.) bzw. der „Machtteilhabe<br />

durch Abschirmung der Armee" (Fritsch 57). In diesem Zusammenhang<br />

weist Müller entschuldigend auf die „Verkennung des<br />

Wesens des nationalsozialistischen Staates", die „Fehlinterpretation<br />

des totalitären Einparteiensystems" (581) durch das Militär hin, auf<br />

„illusionäre Lagebeurteilung, irreale Hoffnungen und eine den machtpolitischen<br />

Erfordernissen unangemessene Geisteshaltung" (421). So<br />

wichtig der Nachweis des Zusammenhangs von Fehleinschätzung,<br />

Selbsttäuschung und Kooperationswilligkeit der bürgerlichen und militärischen<br />

Machteliten im <strong>Faschismus</strong> ist, so fragwürdig erscheint indes<br />

eine Kritik dieses Verhaltens, die statt auf spezifische Klasseninteressen<br />

auf abstrakte Normen (aufgeklärten) politischen Verhaltens<br />

zurückgreift. Gerade die Beurteilung des Konzepts der „Machtteilhabe"<br />

kann nicht auf die Analyse des militärisch-ökonomischen<br />

Macht- und Interessenbündnisses verzichten 2 . Eine solche Analyse<br />

hätte die Fragwürdigkeit des Müllerschen Widerstandskonzepts deutlich<br />

gemacht. Statt dessen überhöht Müller<br />

4. den „Spitzengliederungskonflikt" innerhalb des militärischen<br />

Sektors zum grundlegenden Konflikt zwischen der „dynamische(n)<br />

Methode Reichenaus" (OKW) und der „statische(n) primär abschirmende^)<br />

der Heeresleitung" (Beck, Fritsch, Halder; 576, vgl. 142 ff.,<br />

215 ff.). Zwar weist Müller wiederholt darauf hin, daß dieser Gegensatz<br />

„im taktischen und methodischen Bereich" liege (577; vgl. 132 f.),<br />

doch setzt sich die Konzeption, die auf den Nachweis von „Widerstand"<br />

festgelegt ist, gegen den Verfasser durch. Erst vor dem Hintergrund<br />

des zielbewußten Handelns Reichenaus und Blombergs im<br />

Sinne einer konsequenten Faschisierung der Armee können die taktischen<br />

und zögernden Einspruchsmanöver Fritschs, Becks und Halders,<br />

die stillschweigend mit der Armee oder deren „besserem" Teil<br />

gleichgesetzt werden, den Anschein von Widerstandshandlungen beanspruchen.<br />

Nur so kann schließlich der Eindruck aufrechterhalten<br />

werden, die Armee sei dem faschistischen Experiment zögernd und<br />

widerwillig gefolgt. Wie verkehrt dieser Eindruck ist, wie fragwürdig<br />

auch die Mißverständnisthese, hat die gleichzeitig erschienene Untersuchung<br />

von Manfred Messerschmidt gezeigt 3 .<br />

Die Zeit der offenen Apologien ist auch in der militärgeschichtlichen<br />

wissenschaftlichen Widerstandsliteratur vorüber; die sublimeren, die<br />

sie ablösen, erfüllen ihre Aufgabe nicht schlechter.<br />

Lutz Winckler (Würzburg)<br />

2 Die grundlegende Untersuchung von Arthur Schweitzer, Big Business<br />

in the Third Reich, Bloomington 1965 2 ist Müller offensichtlich unbekannt.<br />

3 Die Wehrmacht im nationalsozialistischen Staat, „Ideologie und Innere<br />

Führung" ; Hamburg 1969. Vgl. die Besprechung von R. Kühnl in diesem<br />

Heft, S. 262.

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