Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
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330 Peter Römer<br />
Die Möglichkeit einer Fundamentalopposition<br />
Setzt sich die Tendenz zur Einheit von Staat und Gesellschaft fort,<br />
so ist also eine Wiederholung des Nationalsozialismus immer weniger<br />
zu befürchten. Die Bemühungen derjenigen Linken, die im Herrschaftssystem<br />
der BRD — in Vorwegnahme eines zukünftigen Zustandes<br />
— diese Einheit bereits weitgehend verwirklicht sehen, dieses<br />
neue System dennoch als faschistisch, sei es neofaschistisch, faschistoid<br />
oder präfaschistisch zu charakterisieren, haben eher denunziatorisehen<br />
als erkenntnismäßigen Charakter und sind deshalb nicht geeignet,<br />
das gefährliche Neue angemessen beschreiben zu können.<br />
Diese Begriffe lassen sich sinnvoll überhaupt nur dann anwenden,<br />
wenn man — im Ergebnis zutreffend, was vorliegend jedoch nicht<br />
abgehandelt werden kann — davon ausgeht, daß die unzweifelhaft<br />
vorhandene Tendenz zur Verschmelzung von Staat und Gesellschaft<br />
in der BRD nicht zu deren wirklicher funktionalen Einheit führt, weil<br />
die Differenzen innerhalb der herrschenden Klasse die partielle Verselbständigung<br />
der Staatsgewalt auch in Zukunft erfordern werden.<br />
Bedeutet die funktionale Einheit von Staat und Gesellschaft, gesetzt<br />
den Fall, sie wäre nicht nur als Tendenz vorhanden, aber die<br />
Unmöglichkeit jeder Fundamentalopposition und die unaufhebbare<br />
Selbststabilisierung des Systems? Forsthoff gibt darauf zwei —<br />
scheinbar — widersprüchliche Antworten. Einerseits ist er der Auffassung,<br />
Opposition könne nur noch eine taktische, eine Positionsvariante,<br />
oder utopisch sein, andererseits durchzieht sein ganzes Werk<br />
die Forderung nach dem starken, dem Bürgerkrieg und dem Klassenkampf<br />
wehrenden Staat, sieht er also die Gefahr der „existentiellen<br />
Krise". Die Entwicklung der SPD, die „über das Godesberger Programm<br />
in der Richtung der Herausbildung einer solchen Positionsvariante"<br />
28 verlaufen sei, erscheint ihm deshalb als durchaus folgerichtig.<br />
Über die Veränderungen innerhalb der staatlichen Willensbildung,<br />
insbesondere über den Funktionswandel des Parlaments, ist<br />
man sich von Forsthoff bis Agnoli im klaren. Es ist unmittelbar einsichtig,<br />
daß bei dem Trend zur Zusammenfassung von Staat und Gesellschaft<br />
in ein Gesamtsystem, das an den Verwertungsbedürfnissen<br />
des Monopolkapitals ausgerichtet ist, die noch bestehenden staatlichen<br />
<strong>Institut</strong>ionen in zunehmendem Maße ungeeignet werden, ein Mittel<br />
zur Durchsetzung einer echten Alternative zu sein. Die Hoffnungen<br />
der Revisionisten aller Art, mit Hilfe der Exekutive, z. B. mit Hilfe<br />
des Monarchen, oder mittels des Zauberstabes der 51 % im Parlament<br />
eine Alternative durchzusetzen, müssen endgültig begraben werden.<br />
Sie hatten — und haben — nur bei einer Trennung von Staat und<br />
Gesellschaft den Schein von Berechtigung, weil die partielle Verselbständigung<br />
der Staatsmacht, die von der Fundamentalopposition<br />
taktisch ausgenutzt werden konnte, den Irrtum hervorzurufen vermochte,<br />
der Staat sei tatsächlich vollkommen von den gesellschaftlichen<br />
Kräften unabhängig und nicht das Produkt der herrschenden<br />
Klasse. Zieht aber Forsthoff, wie manche Linke in der Bundesrepu-<br />
23 Forsthoff, Merkur, 1968, S. 406.