Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
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316 Rainer Kretschmer und Helmut J. Koch<br />
reits als „schöpferische Unternehmer" bewährt hatten 8 . Dieses Desinteresse,<br />
das besser als alles andere die Interessengemeinschaft zwischen<br />
Nationalsozialismus und Kapital beleuchtet, spiegelt sich deutlich<br />
auch im VB wider, der zu wirtschaftlichen Fragen selten und in<br />
der Regel nur in propagandistischer Absicht (gegen Dawes- und<br />
Young-Plan, gegen Warenhäuser) oder zur Verherrlichung der bäuerlichen<br />
Lebensweise Stellung nahm. Unter diesen Umständen ist leicht<br />
zu verstehen, daß die Arbeiter der „Arbeiterpartei" lange Zeit fernblieben.<br />
Noch am 2. März 1933 stimmten bei Betriebsratswahlen bei<br />
der Bewag in Berlin von 3320 Arbeitern nur 83 für einen Nationalsozialisten<br />
9 . Die NSDAP war hinsichtlich ihrer nach außen hin vertretenen<br />
vagen Programmatik und hinsichtlich ihrer Wähler eine<br />
Mittelstands- und Bauernpartei; später wandelte sie sich dank des<br />
wirtschaftlichen Aufschwungs zur Volkspartei, was ihr bei ihrem<br />
konfusen Programm auch ideologisch keine Sorgen machte, zumal<br />
dies im Hintergrund schon immer ihr Selbstverständnis gewesen<br />
war. Diese Entwicklung ist im VB gut zu verfolgen. Daß sie sich nach<br />
dem Krieg unter positiv christlichem statt negativ jüdischem Vorzeichen<br />
wiederholte, wird niemand bestreiten.<br />
Mit Einleitung und Erläuterungen zum Querschnitt durch den VB<br />
haben sich die Herausgeber wenig Mühe gegeben. Die Einleitung<br />
wiederholt im wesentlichen die Angaben und Interpretationen von<br />
Haie und fügt noch einige Details hinzu. In den Erläuterungen werden<br />
Namen und Tatsachen ohne theoretische Verallgemeinerung<br />
durch Hinweis auf andere Tatsachen oder gewisse Regelmäßigkeiten!<br />
erklärt. So wird etwa zum Bericht über den Machtwechsel 10 die alte<br />
Mär von den „braven Konservativen" im Kabinett aufgetischt, die<br />
„von Hitlers vorwärtsdrängender Politik in kurzer Zeit überrannt<br />
werden sollten" und die dann offenbar so enttäuscht waren, daß, wie<br />
man im nächsten Satz erfährt, der bürgerliche Postminister Freiherr<br />
v. Eltz-Rübenach noch „1937 als einziges Kabinettsmitglied die Annahme<br />
des Goldenen Parteiabzeichens verweigerte". Vorher wird<br />
natürlich mit Zitat belegt, daß Hindenburg den „österreichischen Gefreiten"<br />
noch 3 Tage vor der Regierungsbildung nicht mochte. Geradezu<br />
tölpelhaft ist der gelegentliche Versuch der Herausgeber, nationalsozialistisches<br />
Pathos ironisch ins Lächerliche zu ziehen: das lenkt<br />
nur ab. Übrigens kannten auch die Faschisten die Waffe der Ironie<br />
und vor allem die des Zynismus, was viele Beispiele vor allem in der<br />
Zeitschrift für die SS >Das Schwarze Korps< zeigen.<br />
>Das Schwarze Korps< wurde erst 1935 von dem jungen SS-Mann<br />
Gunter d'Alquen im Einvernehmen mit Himmler und Goebbels geschaffen<br />
und war, da seine Gönner sich für die Zeitschrift nicht sonderlich<br />
interessierten, praktisch bis zum Kriegsende das Werk dieses<br />
Mannes. Da sie in der Auswahl der Themen nicht im engen Rahmen<br />
eines Vereinsblattes blieb, aufreizend geschrieben und reich bebil-<br />
8 Fischer, a.a.O., S. 79.<br />
9 Frankfurter Zeitung, S. 165.<br />
10 Völkischer Beobachter, S. 126 f.