Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
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Der Propagandaapparat des NS-Staates 315<br />
der Machtübernahme der Informationsstand, insbesondere über das<br />
Geschehen im Ausland, erheblich ab. Der VB selbst unterhielt nur<br />
ganz wenige Auslandskorrespondenzen. In dieser Hinsicht waren die<br />
Überbleibsel der bürgerlichen Presse: die frankfurter Zeitung< und<br />
später »Das Reich< besser ausgestattet, was sich auch im Redaktionsprogramm<br />
niederschlug. So ist es nicht verwunderlich, daß diese<br />
Blätter gerade von Nazigrößen gelesen, geschätzt und dementsprechend<br />
mit einigem Respekt behandelt wurden, wozu gewiß auch die<br />
gegenüber dem VB nach den Normen des Bildungsbürgertums gehobene<br />
Sprache beitrug. Dennoch: die Auflage des VB stieg von Jahr<br />
zu Jahr, bis sie schließlich 1941 die Millionengrenze überschritt. An<br />
diesem Blatt wird nun dreierlei sichtbar. Erstens steht im VB die<br />
propagandistische Auswertung des Tagesgeschehens im Vordergrund.<br />
Darin gleicht er der bürgerlichen Sensationspresse weitaus mehr als,<br />
den Parteiorganen sozialistischer Länder mit ihren vielen Grundsatzartikeln,<br />
wovon sich diejenigen, die so sdinell mit der Gleichung<br />
„rot = braun" bei der Hand sind, durch einen Blick etwa in >Die<br />
Welt< bzw. in >Neues Deutschland< überzeugen mögen. Zweitens wird<br />
am VB deutlich, daß die NS-Partei niemals von ihren wenigen, überhaupt<br />
konkret faßbaren Zielsetzungen abgewichen ist und auch nicht<br />
sehr viel hinzugefügt hat. So heißt es etwa in einem 1928 erschienenen<br />
Artikel über die Frage des Lebensraumes: „Mit denselben Mitteln,<br />
mit denen sie (die Polen) heute unser Volk quälen, gehören sie<br />
weit nach Osten wieder dorthin zurückgedrängt, woher ihre Vorfahren<br />
gekommen sind", und: „Eine zweite Pestbeule, die den Deutschen<br />
den Boden wegnimmt, sind die Tschechen 6 ". Jedem auch nur halbwegs<br />
aufmerksamen Beobachter mußte schon vor 1933 klar sein, daß<br />
der Kurs der NSDAP auf Judenmord und Krieg zusteuerte. Dies gilt<br />
es zu bedenken, wenn über ehemalige Parteigenossen, Steigbügelhalter<br />
und Kollaborateure zu urteilen ist, die in der Bundesrepublik,<br />
heute noch entscheidende Positionen besetzt halten. Drittens schließlich<br />
stellt man an Hand des Querschnitts durch den VB leicht fest,<br />
daß die „Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei" weder eine)<br />
sozialistische noch eine Arbeiterpartei war. Es gab vor allem vor der<br />
Machtübernahme antikapitalistische Züge, aber nur, soweit es um<br />
jüdisches Kapital, die existenzbedrohenden Warenhäuser und die<br />
„Zinsknechtschaft" ging, unter der die Bauern litten. 1933 wurden<br />
die Unternehmerverbände und die Gewerkschaften aufgelöst und in<br />
einer „Deutschen Arbeitsfront" zusammengefaßt; dabei fiel dem Unternehmer,<br />
dessen Eigentum und Profitansprüche nicht angetastet<br />
wurden, getreu dem Führerprinzip die Rolle des „Betriebsführers"<br />
seiner „Gefolgschaft" zu, die er gewiß nicht ungern übernommen<br />
haben wird 7 . Die Partei machte sich im übrigen wenig eigene Gedanken<br />
über Fragen der Wirtschaftsordnung und der Wirtschaftspolitik,<br />
sondern stützte sich lieber auf die Erfahrungen und den Rat<br />
der „Wirtschaft", insbesondere der Großindustriellen, die sich ja be-<br />
6 Völkischer Beobachter, S. 78 f.<br />
7 Vgl. Wolfram Fischer, Deutsche Wirtschaftspolitik 1918—1945, S. 81.