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Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...

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414 Besprechungen<br />

ses Vorgehen beabsichtigt zugleich eine Systematisierung der Tocquevillschen<br />

Theorie; Tocqueville selbst intendierte keine systematische<br />

Theoriebildung und stellte auch keine methodischen Reflexionen an,<br />

sondern entfaltete seine Gedanken aus der Beobachtung historischer<br />

Ereignisse seiner Zeit. Die systematische Erfassung Tocquevilles erfordert<br />

daher die Herteilung eines Abstraktionsniveaus, auf dem<br />

Feldhoff überzeugend nachweisen kann, daß Tocquevilles Theorie<br />

einen systematischen Charakter hat und implizit auf einer Methode<br />

beruht.<br />

Tocquevilles Untersuchungsgegenstand ist das Stadium des Übergangs<br />

von der ,aristokratischen' zur demokratischen' Gesellschaft, das<br />

,egalitäre' Tendenzen auslöst, herkömmliche Privilegien aufhebt. Mit<br />

Demokratie bezeichnet Tocqueville, wie Feldhoff zeigt, nicht ein Regierungssystem<br />

— und darin wird er oft mißverstanden —, sondern<br />

vielmehr einen état social. Demokratie meint hier égalité des conditions<br />

(cf. 17). Tocqueville verfährt materialistisch, wenn er die jeweils<br />

vorhandene politische Herrschaft (état politique) aus den herrschenden<br />

sozialen Strukturen (état social) ableitet (cf. 19, 38). So unterscheidet<br />

sich Tocquevilles politische Theorie von modernen, bürgerlichen<br />

dadurch, daß sie die Topoi der Volkssouveränität, Repräsentation,<br />

Demokratie etc., die sie in sich aufnimmt, nicht isoliert betrachtet,<br />

sondern in einen gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang<br />

einordnet (19).<br />

Wenn Tocqueville schreibt, daß die mit dem Untergang des Feudalismus<br />

entstandenen sozialen Strukturen Gleichheit mit sich bringen,<br />

so meint er damit keineswegs — wie eine weit verbreitete Interpretation<br />

es will — ökonomische Gleichheit, sondern lediglich, daß der<br />

bürgerlichen Gesellschaft total wirkende nivellierende Tendenzen<br />

immanent sind, die eine Entdifferenzierung der Normsysteme und der<br />

damit verbundenen Verhaltensmuster verursachen und somit Konformität<br />

erzeugen. Es gibt keine durch Geburt erlangten und institutionell<br />

ewig gesicherten Privilegien mehr; im Rahmen einer steten Aufwärts-<br />

und Abwärtsmobilität kann nun jedermann Eigentum erwerben<br />

und verlieren (43 ff.). Gleichheit besteht in den Chancen und vor<br />

dem Gesetz; sie ist nichts als die damals schon naturrechtlich verankerte<br />

Gleichheit der Individuen, wie sie bereits bei Hobbes fundiert<br />

ist. Der Tatbestand, daß hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse keine<br />

Gleichheit vorhanden ist, steht für Tocqueville nicht im Widerspruch<br />

zu seiner Gleichheitsthese. Denn für ihn ist die Gleichheit im Produktionsbereich<br />

völlig sekundär, zumal jeder durch die égalité des conditions<br />

in der Lage ist, Eigentum zu erwerben. Diese Position kann<br />

Tocqueville einnehmen, weil er keinen Zusammenhang zwischen<br />

Eigentum und Herrschaft herstellt. Feldhoff arbeitet an dieser Stelle<br />

die grundlegende Differenz des Tocquevillschen und des Marxschen<br />

Eigentumsbegriffes heraus. „Tocqueville macht hier keinen Unterschied<br />

zwischen dem Eigentum als Mittel und Zweck des sozialen Aufstiegs<br />

in einer demokratischen Gesellschaft und dem großen Finanzkapital,<br />

mit dem Produktionsmittel erworben und somit Verfügungsgewalt<br />

über menschliche Arbeitskraft gewonnen wird. Ganz im Ge-

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