Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
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270 Reinhard Kiïhril<br />
um damit die rumänische Industrie als Ergänzung zur deutschen<br />
Wirtschaft zu formen (103).<br />
In der Frage, nach welchen Zielen die imperialistische Politik ausgerichtet<br />
und mit welchen Methoden das neue Imperium organisiert,<br />
beherrscht und ausgebeutet werden sollte, bildeten sich zwei Gruppen<br />
heraus: Die erste nahm die Mitteleuropa-Konzeption der Alldeutschen<br />
von 1914/15 wieder auf und verlangte die annexionistische<br />
Unterordnung der besiegten Länder im Rahmen einer ,völkischen<br />
Großraumordnung'" (120). Repräsentant dieser Annexionspolitik war<br />
die „Gesellschaft für europäische Wirtschaftsplanung und Großraumwirtschaft",<br />
die eng mit der Schwerindustrie und der SS liiert war.<br />
Die zweite Konzeption, repräsentiert vom Mitteleuropäischen Wirtschaftstag,<br />
lehnte diese Politik direkter machtpolitischer Annexion<br />
ab und befürwortete statt dessen eine Art privatrechtlicher Annexion:<br />
„die Schaffung eines gemeinsamen europäischen Wirtschaftsgebietes,<br />
in dem die deutsche Hegemonie nicht über den Staatsapparat, sondern<br />
viel wirksamer durch die Beherrschung der Industrie und der<br />
Banken realisiert wurde" (121). Diese zweifellos modernere Konzeption,<br />
die erst nach 1945 voll zum Zuge kam und das Verhältnis der<br />
kapitalistischen Industriestaaten zu den unterentwickelten Ländern<br />
bis heute bestimmt, gewann zunächst die Oberhand, doch ließ der<br />
Kriegsverlauf nicht genügend Zeit, den Konflikt abschließend zu entscheiden.<br />
Interessenkonflikte anderer Art bildeten sich innerhalb der<br />
ökonomischen Machtgruppen in der kriegs- und rüstungswirtschaftlichen<br />
Frage. Aus ihnen entstand 1942 eine Fraktion, die angesichts<br />
der militärischen Kräftekonstellation für einen schnellen Friedensschluß<br />
eintrat, um die eroberten Machtpositionen so weit wie möglich<br />
halten zu können. Czichon betont mit Recht, daß diese Interessenkonflikte<br />
nicht als antifaschistischer Widerstand der Großindustrie<br />
interpretiert werden können, wie Wilhelm Treue das z. B. versucht<br />
hat. Vielmehr handelte es sich um Machtgruppen, die innerhalb des<br />
faschistischen Systems um die Führung rangen. Sowohl die faschistische<br />
Herrschaftsstruktur im Innern wie die imperialistische Politik<br />
nach außen waren als gemeinsame Grundlage akzeptiert.<br />
Die besondere Rolle, die die Deutsche Bank und ihr Vertreter<br />
Hermann Josef Abs im Dritten Reich spielten, braucht hier nicht dargestellt<br />
zu werden. Die Einzelheiten sind bei Czichon nachzulesen.<br />
Immerhin war diese Rolle so beachtlich, daß Abs von den Alliierten<br />
auf die Liste der „ökonomischen Kriegsverbrecher" gesetzt wurde<br />
und die amerikanischen Untersuchungsbehörden im November 1946<br />
feststellten: „Abs war der Spiritus rector der niederträchtigen Deutschen<br />
Bank, die eine ungewöhnliche Konzentration wirtschaftlicher<br />
Macht mit aktiver Teilhaberschaft an der verbrecherischen Politik<br />
des Nazi-Regimes verband. Die Deutsche Bank des Hermann Abs<br />
handelte wie eine Spitzeninstitution der deutschen Regierung und<br />
diente der wirtschaftlichen Durchdringung der Satellitenstaaten..."<br />
(146). In dieser Feststellung der amerikanischen Untersuchungsbehörden<br />
ist zugleich eine bemerkenswert realistische Hypothese zu jenem<br />
Problem enthalten, das für eine <strong>kritische</strong> <strong>Faschismus</strong>theorie zu den