Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
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462 Besprechungen<br />
Conway, John S.:DienationalsozialistischeKirchenpolitik<br />
1933 — 1945. Christian Kaiser Verlag, München 1969<br />
(383 S., geb., 32,— DM/Ln., 35,— DM).<br />
Es handelt sich um die erste Gesamtdarstellung des Themas. Der<br />
Autor, Historiker in Vancouver (Kanada), vermeidet viele apologetische<br />
Geschichtsfälschungen, wie sie bisher üblich waren. Er gibt zu,<br />
daß es den Kirchen fast nur um kirchliche Interessen ging (104 f.), daß<br />
selbst Gegner der NS-Kirchenpolitik Anhänger Hitlers waren und<br />
daß sich auch die Bekennende Kirche oft sehr faschismusloyal verhielt<br />
(22). Conway nimmt Rücksicht auf innere Widersprüche in der<br />
NS-Führung (Ribbentropp, Goebbels und Rosenberg auf dem gemäßigten,<br />
Himmler, Heydrich und Bormann auf dem radikalen Flügel<br />
in Fragen der Kirchenpolitik). Der Kampf gegen die Kirchen habe<br />
1936/37 seinen Höhepunkt ereicht (160). Dieser Kampf (176—180),<br />
vor allem in der Form von Sittlichkeitsprozessen und Pressekampagne,<br />
scheint mehr Gewicht zu haben als die Ermordung von Tausenden<br />
von Geistlichen und Kirchenmitgliedern in den seit 1939 besetzten<br />
Gebieten. Wie wenig erfolgreich die NS-Kirchenpolitik war,<br />
ließe sich daraus sehen, daß auch 1939 95 % der Deutschen sich als<br />
eingeschriebene Mitglieder der christlichen Kirchen bekannten (247).<br />
Widersprechende Reste der älteren Forschung blieben erhalten: die<br />
Bekennende Kirche sei der NS-Tyrannei unerschütterlich entgegengetreten<br />
(12) und Hitler habe für die Kirchenpolitik ein klares Konzept<br />
gehabt (116 f.; die Leugnung dieser These, 121). Auch sind viele<br />
Lücken geblieben. Keine Spur von sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen,<br />
von Großindustrie und Banken. Unterstützung erfährt der<br />
NS nur durch die Wähler (31), natürlich nicht durch das Kapital. Der<br />
<strong>Faschismus</strong> entspringt direkt Hitlers Kopf. Eine Begründung für den<br />
Antisemitismus, den Nationalismus, den Antiklerikalismus fehlt, die<br />
vom Himmel in das Blickfeld des erstaunten Archivars fallen. Die<br />
religiöse Nabelschau Conways geht so weit, daß er die Selbstauflösung<br />
der katholischen Gewerkschaft am 3. Mai 1933 erwähnt (82),<br />
ohne die Mitteilung, daß die nichtchristlichen Gewerkschaften am<br />
Tag vorher durch die Faschisten zerschlagen worden waren. Conway<br />
unterschlägt den radikalen Flügel in der Bekennenden Kirche, z. B.<br />
die Kirchlich-theologische Sozietät in Württemberg, und bleibt auf<br />
die Märtyrer Bonhoeffer, Niemöller u. a. fixiert (siehe das theologische<br />
Loblied auf die Märtyrer, 352). Es fehlt eine angemessene Berücksichtigung<br />
der faschistischen Theologieprofessoren, die durch die<br />
Erziehung des Nachwuchses von großer Bedeutung waren (vgl.<br />
Braune Universität, Deutsche Hochschullehrer gestern und heute.<br />
Hrsg. von Rolf Seeliger. 6 Hefte. München 1964—68). Ein weiterer<br />
Mangel ist die fehlende Differenzierung nach den Regionalverhältnissen.<br />
Insgesamt bleibt unklar, warum die Geschichte der NS-Kirchenpolitik<br />
so und nicht anders verlaufen ist. Sie lief eben so. Hier<br />
rächt sich, daß Conway den Zusammenhang der Kirchenpolitik mit<br />
der allgemeinen Entwicklung des NS aus dem Blick verlor.<br />
Den roten Faden der Darstellung bildet eine kirchentreue, apologetische<br />
Haltung. Der Kirdienkampf richtete sich nach Conway gegen