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Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...

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404 Besprechungen<br />

richtigen Gesellschaftsordnung willen" eine „Wissenschaft von der<br />

Gesellschaft" (Sieyès) entwickelt, Vernunft und allgemeinem Interesse<br />

sich verpflichtet weiß und somit zu ihrem klarsten theoretischen<br />

Ausdruck findet — dieser mächtige geistige Aufschwung trug auch<br />

den Prälaten Sieyès weit über die engen Grenzen seiner Diözese, weit<br />

auch über seine eingefleischten sozialen Vorurteile hinsichtlich der<br />

unteren Volksklassen, zu denen er nach der Eroberung der politischen<br />

Macht durch die Bourgeoisie freilich schnell wieder zurückfand.<br />

Wie urteilte er doch selbst über die Fraktionskämpfe zwischen den<br />

heruntergekommenen Landjunkern und dem Hochadel: „Die Menschen<br />

neigen im allgemeinen dazu, alles, was über ihnen steht, zur<br />

Gleichheit zurückzuführen, sie erweisen sich dann als Philosophen.<br />

Dieses Wort wird ihnen erst in dem Augenblick verhaßt, da sie die<br />

gleichen Prinzipien bei den unter ihnen Stehenden bemerken" (97).<br />

So konnte Walter Markov vom Standpunkt seines Roten Priesters<br />

(W. Markov, Die Freiheiten des Priesters Roux, Akademie-Verlag,<br />

Berlin 1967) und der Enragés den Traktat über den Dritten Stand als<br />

Bürgerfibel abtun. In der Tat stand Sieyès während der Revolutionszeit<br />

immer auf der äußersten Rechten des bürgerlichen Lagers: von<br />

seiner Mitgründung des lafayettistischen „Clubs von 1789", seinem<br />

Ausschluß aus dem Jakobinerclub (Mai 1791) und seiner Mitläuferrolle<br />

bei den Girondisten über die ideologische (seine Rede gegen den<br />

„31. Mai" im März 1795) und praktische (Einbringung eines Polizeigesetzes<br />

gegen die Germinal-Aufständischen, das alle gewaltsam in<br />

den Convent Eindringenden mit der Todesstrafe bedrohte) Teilnahme<br />

am Weißen Terror der Thermidorianer, seine annexionistische<br />

Politik als Mitglied des Wohlfahrtausschusses gegenüber den Niederlanden,<br />

bis hin zur Mitwirkung an der Direktorialverfassung und zur<br />

Vorbereitung des bonapartistischen Staatsstreiches.<br />

Insofern kann man durchaus von einer folgerichtigen Entwicklung<br />

sprechen. Anfang 1789 standen die Zeichen für die Bourgeoisie auf<br />

Sturm, die Waffen wurden geschliffen für den ersten Gang, der die<br />

Zerschlagung der ständischen Gliederung an der Spitze der Gesellschaft<br />

bringen sollte.<br />

Diesen Prozeß hat Sieyès mit seinen beiden zuerst anonym herausgegebenen<br />

Schriften gewaltig vorangetrieben. Die im November 1788<br />

erschienene „Abhandlung" orientierte sich an Vernunft, Gleichheit<br />

und Gesetz und zeigte die Nutzlosigkeit wie Gemeingefährlichkeit<br />

des Privilegs: „Vergebens fordern die Landwirtschaft, die Fabriken,<br />

der Handel und alle Künste einen Teil des unermeßlichen Kapitals<br />

zurück, das sie zusammengetragen haben, um sich zu erhalten und<br />

auszudehnen und den allgemeinen Wohlstand zu erhöhen. Die Privilegierten<br />

verschlingen das Kapital und die Personen, alles wird auf<br />

Nimmerwiedersehn der privilegierten Sterilität zugeschanzt" (50).<br />

Das Pamphlet über den Dritten Stand erwies zunächst die während<br />

der Wahlkampagne zu den Generalständen erhobenen drei<br />

Hauptforderungen der Bourgeoisie (Wahl der Repräsentanten des<br />

Dritten Standes nur aus den Angehörigen des Dritten Standes;<br />

Gleichheit der Zahl der Repräsentanten des Dritten Standes mit der

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