Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
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Vom totalen Staat zur totalen bürgerlichen Gesellschaft ' 331<br />
blik, daraus den Schluß, das System werde also immer unangreifbarer?<br />
Sehr zutreffend — und im Unterschied zu gängigen Ansichten<br />
innerhalb der linken Opposition — weist Forsthoff darauf hin, daß<br />
das System insoweit empfindlicher geworden ist, als es in zunehmendem<br />
Maße außerstande ist, Konzessionen zu machen, vorübergehend<br />
zurückzuweichen. Die Richtigkeit dieser Behauptung ergibt sich aus<br />
der Notwendigkeit umfassender, alle Lebensbereiche erfassender Planung,<br />
in die sowohl aus technischen Gründen als auch wegen der<br />
Erwartungen und den Verhaltensdispositionen der anderen Beteiligten<br />
nicht nennenswert eingegriffen werden kann. Das System kann<br />
mit einem Kreisel verglichen werden, der sich mit hoher Geschwindigkeit<br />
dreht und der den Eindruck zu erwecken vermag, er könne in<br />
alle Zukunft mit Sicherheit, Genauigkeit und Beständigkeit seine<br />
Kreise ziehen, und der doch als Ganzes, je höher seine Geschwindigkeit<br />
wird, durch eine geringfügige Umverlagerung der Kräfte in seinem<br />
Inneren oder durch einen Anstoß von außen aus der Bahn geworfen<br />
werden kann. Forsthoff diagnostiziert durchaus richtig, daß<br />
die Tendenz zur größeren Empfindlichkeit des Systems geht, daß die<br />
existentielle Freund-Feind-Unterscheidung früher und im umfassenderen<br />
Maße eintritt und daß deshalb für eine Fundamentalopposition<br />
ein starker Zwang zur Einordnung und Entscheidung für eines der<br />
großen gesellschaftlichen und politischen Alternativsysteme zum<br />
kapitalistischen (Moskau, Peking, Kuba) besteht; Forsthoff spricht in<br />
diesem Zusammenhang von den Weltbürgerkriegsfronten. Rüdiger<br />
Altmann, dessen Analysen denen Forsthoffs sehr verwandt sind,<br />
äußert sich noch drastischer. Der Verlust der manipulierten Gesellschaft<br />
an Staatsfähigkeit birgt seiner Ansicht nach „Elemente des<br />
Katastrophalen", die „Rückseite des Fortschritts" zeigt „apokalyptische<br />
Symbole". „Mit Sozialtechniken und Globalsteuerungen, auch<br />
mit der weiteren Steigerung ihrer Produktivkräfte kann die manipulierte<br />
Gesellschaft dieser Gefahr nicht begegnen, wenn sie dabei<br />
ihren Willen zur Geschichte verliert" 24 . Der Wille zur Geschichte ist<br />
nach Altmann der Wille, den Zerfall der Welt aufzuhalten, was nur<br />
dem „Staat als Bewahrer des Fortschritts, als aufhaltende(r) Kraft"<br />
gelingen könne 25 . Der Wille zur Geschichte, zum Staat ist im Altmannschen<br />
Kontext, soviel ist klar, der Wille zum Imperialismus,<br />
zur gewalttätigen Aufrechterhaltung des Systems. Wird damit aber<br />
der objektiv-richtige Gehalt der Analysen Forsthoffs, Altmanns u. a.<br />
entwertet? Ist der Hinweis auf die Leviathane, die die Welt im zunehmenden<br />
Maße bevölkern, wissenschaftlich verbrämtes Imponierund<br />
Angstgehabe? Die prügelnden Polizisten in Chikago und Berlin,<br />
der Vietnamkrieg vor allem, zeigen eindeutig, mit welcher Rücksichtslosigkeit,<br />
Härte, Grausamkeit und brutaler Offenheit bereits<br />
dann reagiert wird, wenn auch nur in Randzonen gegen das System<br />
opponiert wird. Welche Formen die Auseinandersetzung annehmen<br />
24 Altmann, Späte Nachricht vom Staat, Merkur, 1968, H. 1, S. 5 ff.,<br />
S. 10.<br />
25 Altmann, Merkur, 1968, S. 11.