Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
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438 Besprechungen<br />
suchten Texten entfaltet: als Ergebnis des vermittelnden Eingriffs in<br />
die untersuchten Vorlesungen. Nicht klaffen in der wissenschaftlichen<br />
Militanz des Eingriffs wissenschaftliche Analyse und politisches Bescheidwissen<br />
lax auseinander, die, wenn sie sich nicht verbinden, Kennzeichen<br />
der analysierten Ohnmacht sind. Haugs Wissenschaft spricht<br />
mit politischer Zunge, spricht weder die analytische Metasprache der<br />
politischen Abstinenz, noch ist sein politischer Standort mit bloßer Gesinnung<br />
gleichzusetzen. .„Gesinnungen' sind nicht unbedingt ein Forschungsgegenstand<br />
von zentralem Interesse" (116). Nicht werden die<br />
deutschen Professoren, deren Äußerungen Gegenstand der Untersuchung<br />
waren, auf ihre jeweilige „Gesinnung" befragt, die ohnehin<br />
die eines wie immer verkleideten Antifaschismus ist. Auf die Verkleidungen<br />
kommt es an — und auf das „Zusammenspiel sozialer<br />
Herrschaftsstrukturen und individueller Verhaltensdispositionen"<br />
(116), welches Gesinnung erst entstehen läßt. Im Arrangement von<br />
antifaschistischer Bekundung, Bewältigungsgerede und faschistoider<br />
Disposition stiftet Haug Verwirrung. Und die sozialistische Hand des<br />
Störenfrieds operiert mit einer Wissenschaftlichkeit, die — dem Spruch<br />
die Treue haltend vom Sozialismus, der wissenschaftlich sein wird oder<br />
nicht sein — das Gerippe der bürgerlich-wissenschaftlichen Argumentation<br />
wie mit dem Seziermesser bloßlegt. Die Analyse katalogisiert<br />
statt der Bekenntnisse ihre Herstellung und Struktur, ordnet Motivkomplexe<br />
und Stereotype anstatt nach vordergründiger <strong>Faschismus</strong>-<br />
Feindschaft zu fragen, demontiert die bürgerliche Wissenschaftssprache<br />
der <strong>Faschismus</strong>abwehr, um versteckter Affinität auf die Spur zu<br />
kommen, entdeckt Kontinuität, wo offiziell Brüche gemeldet werden,<br />
und setzt Geschichtliches an Stelle des postfaschistischen Naturzustands:<br />
dem wird die eigene Melodie vorgespielt und dessen steinerne<br />
Selbstverständlichkeit zum Tanzen gezwungen. Die Melodie ist die<br />
der „politikfeindlichen Diktion", die mit ,Politik' sogleich Faschistisches<br />
oder Totalitäres meint. Dieser „untergründig die Diktion beherrschenden<br />
Tendenz" wird der Kommentar beigegeben: „Daß der<br />
Nazismus das Wort („politisch") monopolisierte, während er alle politischen<br />
Regungen unterdrückte und systematisch desorganisierte,<br />
wirkt in vielen Texten noch darin nach, daß ihm auch heute noch das<br />
Wort uberlassen wird" (69/70). Repräsentativ ist dieser Kommentar<br />
nicht nur se.oem Sinn nach, er ist es auch in seiner Kürze, die — von<br />
Enthaltsamkeit gegenüber positiv gesetztem Sinn geprägt und auf<br />
Rückendeckung durch Sekundärliteratur verzichtend — im ganzen<br />
Buch vorherrscht.<br />
Die verzeichneten „antifaschistischen Gegennamen" bieten einen<br />
Überblick über die emotionalen oder distanzierenden Etikettierungen,<br />
die den Nationalsozialismus als „entartete Nachfrucht des 19. Jahrhunderts",<br />
„das große Unglück", „die ideologische Katastrophe", „die<br />
Zeit der Gewaltherrschaft", als „Rückfall in die Barbarei", als „dieses<br />
düstere Kapitel der Geschichte unseres Volkes" (29/30) beschwören<br />
und dessen analytische Durchdringung tabuieren. Das Panorama der<br />
in den hilflosen Benennungen etablierten Ohnmacht funktionierte der<br />
Autor zu einer negativen Fundgrube um, deren Plünderung mit ideo-