Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
- Keine Tags gefunden...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Soziale Bewegung und Politik 465<br />
oder das Singen verschiedener Lieder wie: „Rübezahl, Dir will ich's<br />
klagen: / Land und Volk sind nicht mehr frei. / Schwingt die Keulen<br />
wie in alten Tagen, / Macht die bündische Jugend frei!" (304) als Widerstandshandlungen<br />
zu klassifizieren, zeigt ein bemerkenswertes Ausmaß<br />
an Realitätsverlust. Da ihm die politischen Implikationen der verschiedenen<br />
Jugendverbände analytisch nicht zugänglich sind und er<br />
nur das „Sendungsbewußtsein der jungen Generation" (17), die „Ablehnung<br />
alles Alten" (17), kurz, den sogenannten Generationskonflikt<br />
sieht, erscheint ihm auch Hitler als „moderner Rattenfänger von Hameln"<br />
(21), der die „Einsatzbereitschaft" (21) der Jugendlichen mißbrauchte.<br />
Den Unterschied zwischen der HJ und der „bündischen<br />
Jugend" kann Brandenburg daher nur in formalen Kategorien, nämlich<br />
der Abhängigkeit und der Unabhängigkeit von Parteien, „alten<br />
Herren" etc., fassen. Somit wird 1926 für ihn zum entscheidenden<br />
Datum, das den Übergang der HJ „vom freien Jugendbund zur doktrinären<br />
Parteijugend" (30) markiert, da damals die Befehls- und Entscheidungsgewalt<br />
an die NSDAP überging.<br />
Da Brandenburgs <strong>Faschismus</strong>begriff der des Totalitarismus ist (z. B.<br />
119, 139) tauchen nicht nur alle längst bekannten Stereotypen westdeutscher<br />
Historiographie, wie „Führerpersönlichkeit" (20), „Dämonie"<br />
(132) * der „Mißbrauch der Vaterlandsliebe" (177) und schließlich<br />
das große Wundern, wie denn das alles so kam (141) auf, sondern<br />
kann er auch die wesentlichen Probleme der HJ, wie Struktur<br />
Funktion und Ideologie dieser Bewegung, nicht thematisieren.<br />
Die Bilanz, die Brandenburg zieht, sieht auch danach aus: „Sie (die<br />
HJ) hatte als Kampfjugend des Jung-Nationalsozialismus (!) begonnen,<br />
die nach der Machtübernahme Hitlers zur Staatsjugend wurde<br />
und die Freiheit (!) an die Macht verkaufte" (234).<br />
Karl Unger (Marburg/Wien)<br />
Müller, Klaus-Jürgen: Heer und Hitler. Armee und nationalsozialistisches<br />
Regime 1933—1940 (Beiträge zur Militär- und Kriegsgeschichte<br />
Bd. 10). Deutsche Verlags-Anstalt Stuttgart 1969 (700 S.,<br />
Ln., 38,— DM).<br />
Die materialreiche und methodisch reflektierte Untersuchung versteht<br />
sich als Beitrag zur Geschichte des militärischen Widerstands im<br />
<strong>Faschismus</strong> (vgl. insbes. Kap. V—<strong>VI</strong>II, 205—377). Sie bemüht sich um<br />
den Abbau des Rankenwerks von Fehlinterpretationen und Legenden,<br />
die eine weitgehend apologetische Literatur um die faschistische<br />
Wehrmacht und insbesondere Figuren wie Beck und Fritsch gewunden<br />
hat I . Die eingehende Analyse der innermilitärischen Befehls- und<br />
* Zu „Führerpersönlichkeit" und „Dämonie" vgl. die betreffenden<br />
Exkurse in „Das Argument" 33, S. 7—10 bzw. 13—17.<br />
1 Symptomatisch dafür ist das mehrfach wiederaufgelegte Buch von<br />
Wolf gang Foerster, Ein General kämpft gegen den Krieg: Aus nachgelassenen<br />
Papieren des Generalstabschefs Ludwig Beck, München 1949.