Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
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Der Propagandaapparat des NS-Staates 321<br />
E. P. Neumann, CSU-Bundestagsabgeordneter und Ehemann der<br />
Frau Noelle aus Allensbach, schrieb 1941 unter dem Pseudonym Hubert<br />
Neun in einem Stimmungsbericht über Warschau zum Judenghetto:<br />
„Es läßt sich nicht exakt angeben, ob in diesem Bezirk vierhundert-<br />
oder fünfhunderttausend Juden leben. Diese Frage ist auch<br />
nur für den Ältestenrat interessant, jene <strong>Institut</strong>ion, die selbständig<br />
und von den Ghettobewohnern gewählt für Betreuung und Organisation<br />
des Judenviertels zuständig ist. Man überläßt es ihm, um Ruhe<br />
und ausreichende Versorgung des jüdischen Bezirks bemüht zu bleiben.<br />
Man muß sich in den Gassen und Straßen des Ghettos aufgehalten<br />
haben, — dann kann man ermessen, warum es der Warschauer<br />
Verwaltung unumgänglich schien, so rasch als möglich eine Trennung<br />
zwischen den Juden und den anderen Stadtbewohnern zu ziehen.<br />
Auf den engeren Platz beschränkt, prägt sich die anarchische Lebensweise<br />
dieser Hunderttausende mit spukhafter Anschaulichkeit<br />
ein; es mag wohl kaum einen Ort des Kontinents geben, der einen so<br />
plastischen Querschnitt durch die Disziplinlosigkeit und Verkommenheit<br />
der semitischen Masse vermittelt. Mit einem Blick kann man die<br />
ungeheure abstoßende Vielfalt aller jüdischen Typen des Ostens<br />
überschauen; eine Versammlung des Asozialen, so flutet es aus<br />
schmutzigen Häusern und schmierigen Läden, straßauf und straßab,<br />
und hinter den Fenstern setzt sich die Reihe der bärtigen, bebrillten<br />
Rabbinergesichter fort — ein grausiges Panorama" 23 . Das Parteimitglied<br />
Schwarz van Berk, einflußreiches Mitglied der Redaktion, beschrieb<br />
im März 1945 die Erlebnisse der „deutschen Soldaten und Offiziere<br />
in den Jahren des Ostfeldzuges" so: „Sie stießen auf Völker,<br />
die in ihrem Lebenszuschnitt wie in ihrem Denken straff aber stur,<br />
in größter Breite, aber ohne Tiefe, auf eine einzige Norm zurechtgeschliffen<br />
waren. 25 Jahre ohne Kontakt mit der Welt leben, heißt<br />
weltfremd werden. Wie hätte die Jugend von einem anderen Glück<br />
träumen können, da sie nur das Glück in den eigenen schäbigen vier<br />
Wänden kannte? Wie hätte jemand Sehnsucht nach einem besseren<br />
Leben empfinden sollen, da alles, was war und geschah, als das einzig<br />
mögliche Leben gepriesen war. Die Götter Marx, Lenin und Stalin<br />
hatten die Welt erschaffen, und auch den Menschen dazu nach<br />
ihrem Bilde — und siehe da, es war sehr gut. Also predigten sie von<br />
den roten Kanzeln des Diesseits" 24 . Abel rechnet Neumann und<br />
Schwarz van Berk zu den Journalisten, die „über die bloße Schilderung<br />
von Frontereignissen hinaus das .Antlitz des Krieges' in einer<br />
oft ungewöhnlich realistischen, von den sonst üblichen Klischees<br />
weitgehend freien Manier zeichneten", und weist als Beleg dafür<br />
ausdrücklich auf den Artikel Schwarz van Berks hin, aus dem das<br />
Zitat stammt 25 . Abels Buch liegt seine Dissertation bei Emil Dovivat<br />
zugrunde; ein lobendes Vorwort schrieb namens der Historischen<br />
Kommission zu Berlin Hans Herzfeld.<br />
Helmut J. Koch<br />
23 Das Reich, S. 68.<br />
24 Das Reich, S. 205.<br />
25 Abel, S. 90.