Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
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Der Propagandaapparat des NS-Staates 317<br />
dert war, wurde sie nicht nur in der SS gelesen und ihre Auflage<br />
stieg bald auf über 500 000 Exemplare. Gelegentliche — heute kaum<br />
noch erkennbare — vorsichtige Kritik am eigenen Lager richtete sich<br />
gegen Randphänomene. Die Leser des SK waren aufgefordert, die<br />
Redaktion durch Zuschriften bei der Arbeit zu unterstützen. Daraus<br />
entstand ein für manche außerordentlich gefährliches Denunziantentum,<br />
das sich nur teilweise in den Spalten des SK widerspiegelte 11 .<br />
Das besondere Interesse des Blattes galt außer Juden Homosexuellen,<br />
Mißständen in der katholischen Kirche, dem nationalen Kitsch<br />
und den Freimaurern, die mit einem beispiellosen Zynismus angegriffen<br />
wurden. Dem wurde gegenübergestellt das Bild einer reinen<br />
„Blut-, Zucht- und Sippengemeinschaft" 12 . In dieser Zeitschrift findet<br />
man dann auch die rührenden Geschichten von Tierliebe und<br />
Naturverbundenheit, die auf solchem Hintergrund den Charakter der<br />
faschistischen Moral nur noch deutlicher zeigen. Lesenswert ist vor<br />
allem ein vom SK abgedruckter und kommentierter Brief von Tucholsky<br />
an Arnold Zweig 13 im Vergleich zu einem Artikel der Redaktion<br />
im April 1945 zum letzten Geburtstag des Führers 14 .<br />
Die Hetze gegen die Juden war von Anfang bis Ende beinahe täglich<br />
Thema der Parteipresse. Ohne viel Rücksicht auf Konfession und<br />
Rasse wurde allerdings praktisch allem, was es zu bekämpfen galt,<br />
die Marke „jüdisch" angehängt: neben den echten Juden gab es die<br />
„amerikanischen Finanzjuden", die „jüdische Plutokratie in England",<br />
die „jüdischen Bolschewisten", die „weißen Juden in der Wissenschaft"<br />
usw. Die Brutalität, mit der der NS-Staat gegen Juden<br />
vorging, hatte den Sinn, durch das Faktum der Gewalt, die sich als<br />
Strafe ausgab, die Schuld noch zu beweisen und so Lücken in der<br />
Abwehrbereitschaft zu schließen. So fiel dann der Parteipresse die<br />
Aufgabe zu, in möglichst breiter Form über Maßnahmen gegen Juden<br />
zu berichten und solche Maßnahmen anzudrohen. Die stilistisch<br />
anspruchsvollere, nicht parteioffizielle Presse hielt sich dagegen in<br />
der Hetzkampagne gegen die Juden zurück 15 . An die Stelle der Juden<br />
traten hier die — auch von der Parteipresse natürlich nicht vergessenen<br />
— „Bolschewisten".<br />
Die »Frankfurter Zeitung< wurde 1866 von Leopold Sonnemann,<br />
einem politischen Gegner Bismarcks und Vertreter rechtsstaatlicher<br />
und wirtschaftsliberalistischer Prinzipien gegründet, 1943 verboten<br />
und nach dem Krieg unter neuem Namen als „Frankfurter Allgemeine<br />
Zeitung" weitergeführt. Keine andere deutsche Zeitung kann,<br />
über einen so langen Zeitraum hinweg auf soviel Tradition in Form,<br />
11 Ein Teil der Zuschriften wurde an interessierte Stellen im Parteiund<br />
Staatsapparat, wie z. B. dem Reichssicherheitshauptamt (RSHA), weitergeleitet.<br />
12 So die Herausgeber des Querschnitts durch das Schwarze Korps.<br />
13 Das Schwarze Korps, S. 76 f.<br />
14 Das Schwarze Korps, S. 204—207.<br />
15 Der Leitartikel von Goebbels in >Das Reich< von 1941 (S. 98 f.) ist<br />
allerdings ein lehrbuchreifes Beispiel für Volksverhetzung. Zu dem Verhältnis<br />
zwischen Goebbels und >Das Reich< siehe weiter unten.