Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
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Vom totalen Staat zur totalen bürgerlichen Gesellschaft ' 323<br />
Ganzen angepaßt... Das gilt zunächst für die Parteien. Aber auch für die<br />
Verbände. Noch ist die aus der Weimarer Zeit stammende Auffassung<br />
nicht erloschen, daß es sich hier um eine pluralistische Zersetzung des<br />
Staates handle. Sie entspricht aber nicht mehr den heutigen Gegebenheiten.<br />
Denn ... der Staat (ist) auf die Verbände angewiesen. Wesentlich<br />
aber ist, daß das reibungslose Funktionieren und schließlich vielleicht<br />
sogar der Bestand des sozialstaatlichen Ganzen von der Bereitschaft der<br />
Menschen (abhängt), sich ihm ganz anzupassen.<br />
Möglichkeit einer Fundamentalopposition: Eine besondere Lage ist hinsichtlich<br />
einer strategischen, das sozialstaatliche System und seine Verfassung<br />
grundsätzlich angreifenden Opposition entstanden. Sie ist auf<br />
staatlicher Seite durch den Mangel an Argumenten gekennzeichnet. Wenn<br />
das, was der Staat leistet, von solchen, welche die Adaption verweigern<br />
oder welche diese Leistungen als selbstverständlich hinnehmen, nicht<br />
anerkannt wird, ist die Auseinandersetzung zu Ende. Der Staat ist auch<br />
nicht in der Lage, solchen prinzipiellen Gegnern Konzessionen zu machen,<br />
da das sozialstaatliche System mit seinen Implikationen nicht nennenswert<br />
verändert werden kann. Die relative Stabilität der öffentlichen Zustände<br />
beruht nicht auf der Überzeugungskraft der Staatlichkeit, sondern auf der<br />
sozialen Ausgeglichenheit, die ihren wirksamsten Verteidiger in der Arbeiterschaft<br />
hat. Wo es recht eigentlich um das geistige Profü des Staates<br />
geht, bei den Universitäten, genügte eine aktive Minderheit, um den staatlichen<br />
Offenbarungseid auszulösen. Dieser Fall war nicht vorgesehen in<br />
dem Konzept eines Gemeinwesens, das seine Verwirklichung in einer bestimmten<br />
Sozialordnung suchte und bis heute fand. Die Opposition, die<br />
sich einem alle Lebensbereiche umfassenden System gegenübersieht, steht<br />
vor der Alternative, sich außerhalb der Wirklichkeit zu formulieren und<br />
utopisch zu werden oder sich in der politischen Realität in der Weise zu<br />
verorten, daß sie sich in eine der Weltbürgerkriegsfronten — Moskau,<br />
Peking, Kuba — eingliedert. Damit fehlt es von vornherein an den Voraussetzungen<br />
für eine fruchtbare politische Auseinandersetzung mit<br />
systemtranszendenten Gegnern, die eine Alternative anbieten.<br />
Gesamtsystem und Ideologie: Die Leistungen dieser Funktionseinheit<br />
(von Wirtschaft und Staat) sind bedeutend. Sie gewährleistet einen hohen<br />
Grad der Beschäftigung, der der Vollbeschäftigung nahekommt, Sicherheit<br />
des Arbeitsplatzes, sozialen Aufstieg für jedermann, breite Streuung des<br />
Sozialprodukts, Unfall- und Altersversorgung und Sozialhilfe in Fällen<br />
individueller Bedürftigkeit. So rundet sich das Bild zu einem sozialen<br />
Ganzen von rational einsichtiger Struktur, in dem noch ideologische Fragmente<br />
früherer Zeiten herumgeistern, ohne — jedenfalls bis heute —<br />
ernsthafte Störungen hervorzurufen. Dieses Gefüge ist in hohem Maße<br />
durchrationalisiert, in seinem Aufbau und in dem Ineinandergreifen seiner<br />
Funktionen von einsehbarer Logik und deshalb auch analysierbar und in<br />
der Tat häufig analysiert. Zu keiner Zeit war die Gesellschaft, insbesondere<br />
die Wirtschaft, so durchorganisiert, bot sie sich der Öffentlichkeit in<br />
Macht und Machtanwendung so sichtbar dar, wie das heute der Fall ist.<br />
Ernst Forsthoff als Kritiker<br />
Manchen Betrachter der obigen Umrisse einer Realanalyse der Bundesrepublik<br />
-mag, insbesondere wenn er die gesellschaftliche und politische<br />
Entwicklung in der BRD vorwiegend aus ihrer Darstellung<br />
durch „links" gerichtete Interpreten kennt, ein Gefühl der Verwirrung<br />
und des Unbehagens überkommen. Vieles kommt ihm bekannt<br />
vor, und eine Anzahl von Details könnten wohl auch Marcuse, Habèr-