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Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...

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254 Wolfgang Abendroth<br />

polistischen Führungen selbst ließ sich daher — insofern in ähnlicher<br />

Weise wie beim Aufstieg des Bonapartismus in der liberal-kapitalistischen<br />

Periode — nur dadurch vermitteln, daß als Gegenmacht<br />

gegen sozialistisch-proletarische Kräfte soziale Gruppen mit Mittelschichtenmentalität<br />

mobilisiert wurden. Den diesen Sozialschichten<br />

angebotenen antibolschewistischen und antimarxistischen Parolen<br />

wurde der Schein „antikapitalistischer" Ideologie zugesetzt, um<br />

ihnen die Illusion des Kampfes für ihre eigenen Interessen zu geben.<br />

Mit Hilfe dieser Parolenmixtur sollte das Mittelstandsaufgebot die<br />

Arbeiterorganisationen ausschalten. Verstärkter Druck der Staatsmacht,<br />

die mittels der militanten gegenrevolutionären Mittelschichten-Organisationen<br />

gefestigt und von ihnen unterstützt wurde,<br />

mußte dann die Arbeiterorganisationen vernichten.<br />

Gleichzeitig konnte auch die nunmehr der Kontrolle der Öffentlichkeit<br />

entzogene Auseinandersetzung zwischen den verschiedenen<br />

Interessen der einzelnen Oligopole ohne Gefährung des sozialen Gesamtsystems<br />

weitergeführt werden. Die Oligopole hatten jedoch spätestens<br />

seit Ausbruch der Weltwirtschaftskrise einsehen müssen, daß<br />

der konjunkturelle Prozeß ohne Mithilfe der öffentlichen Gewalt<br />

nicht gesteuert werden konnte, wenn auch eventuell nur in der<br />

Weise, daß sie sich formell gemeinsam der quasi schiedsrichterlichen<br />

Entscheidung durch die öffentliche Gewalt unterwarfen. Auf dieser<br />

Situation beruhte die Wendung zum <strong>Faschismus</strong>, wie sie 1922 in Italien,<br />

1933 in Deutschland und in Österreich durchgespielt worden ist.<br />

Dabei zeigte sich jedoch noch eine weitere Differenz zum Bonapartismus<br />

der liberalkapitalistischen Periode: Die faschistischen Parteien,<br />

die — ausnahmslos verbunden mit quasi militärischen Terrororganisationen<br />

— zur Macht geführt wurden, waren zwar abermals auf die<br />

Präsentierung charismatischer „Führer" angewiesen, in deren Zeichen<br />

sie allein die in sich widerspruchsvollen Sonderinteressen divergenter<br />

Mittelgruppen versöhnen konnten, aber sie beruhten nun im<br />

Zeichen neuer Sozialstrukturen auf gefestigten Parteien, die im Gegensatz<br />

zu den proletarischen Massenorganisationen nicht langfristig,<br />

sondern in verhältnismäßig kurzer Periode geschaffen wurden. Dadurch<br />

wurde es erstens möglich, daß diese Parteien und ihre militärischen<br />

Verbände in Zusammenarbeit mit der traditionalen Staatsorganisation<br />

die Unterdrückungsfunktion der öffentlichen Gewalt<br />

gegenüber den Unterklassen generalisierten und extrem verstärkten<br />

und sie in derart erheblichem Maße permanent gestalten konnten,<br />

wie sie die bonapartistische Staatsmacht weder in dieser Intensität<br />

noch in dieser Dauerhaftigkeit herstellen konnte. Die zweite Folge<br />

dieser neuen Situation bestand darin, daß die Rechtsstaatlichkeit<br />

zwar nicht gänzlich aufgelöst werden konnte, weil sie als Parallele<br />

der Markt-Gesellschaft in bestimmten Relationen erhalten bleiben<br />

mußte, aber durch einen nicht rechtsstaatlichen, sondern unverhüllt<br />

dezisionistisch-repressiven Teil staatlicher Tätigkeit weithin verdrängt<br />

wurde. Drittens führte diese Situation zu einer relativ permanenten<br />

Symbiose von Monopolwirtschaft und Staat im Zeichen<br />

eines auch nach außen aggressiven Rüstungskapitalismus.

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