Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...
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314 Rainer Kretschmer und Helmut J. Koch<br />
beschränkte Monopolisierung auf dem Pressemarkt der Bundesrepublik<br />
bereits weit fortgeschritten ist, läßt sich nur noch in einem sehr<br />
begrenzten Rahmen darüber streiten, ob es um die Pressefreiheit in<br />
der BRD tatsächlich sehr viel besser bestellt ist als im Dritten Reich.<br />
Hier soll mehr der Blick darauf gelenkt werden, welche Spuren<br />
die jahrelange propagandistische Beeinflussung im Sinne der „nationalsozialistischen<br />
Weltanschauung" und die personelle Kontinuität<br />
in der veröffentlichten und überhaupt politisch wirksamen Meinung,<br />
der Nachkriegszeit hinterlassen haben. Dem bundesdeutschen Publikum<br />
wurden nach dem Krieg immer wieder die Abscheulichkeiten<br />
des NS-Staates vorgeführt. Kriegsszenen, KZ-Greuel, Fahnen und<br />
Aufmärsche, rednerische Ekstasen von Hitler und Goebbels, leeres<br />
Pathos der Sprache — das war und ist das Material, das den einem<br />
Schuldspruch Entkommenen Gelegenheit bot, ihre Unschuld zu beteuern,<br />
und das den Jüngeren das Fortleben faschistischer Ideen in<br />
manchen Bereichen verbarg. In der Reihe „Faksimile-Querschnitte<br />
durch Zeitungen" sind nun 5 Bände erschienen, die einen Einblick in<br />
den Alltag der Presse des Dritten Reiches gewähren. In der Einleitung<br />
wird jeweils der Werdegang der Zeitung — teilweise von früheren<br />
Mitarbeitern — beschrieben und kommentiert; dann folgen<br />
auf etwa 150 Seiten Auszüge aus allen Jahrgängen und Sparten, die»<br />
kurz erläutert werden. Wer etwas über konkrete Zusammenhänge!<br />
wissen will, wird auf die Originale oder andere Quellen und Darstellungen<br />
zurückgreifen müssen. Die Einleitung und die Erläuterungen<br />
vermitteln mehr Einzelheiten als geschichtliche Zusammenhänge.<br />
Derjenige dagegen, der einen allgemeinen Vergleichsmaßstab für die<br />
politische Orientierung der heutigen Presse sucht, sollte sich diese<br />
Querschnitte ansehen.<br />
Die Redaktion des Parteiorgans „Völkischer Beobachter" war von,<br />
Anfang an an Weisungen der Propagandaabteilung in der Reichsleitung<br />
der NSDAP gebunden. Dementsprechend war das, was hier erschien,<br />
für die gesamte Parteipresse verbindlich. Nach 1933 wurden<br />
die Agenturen, von denen die Zeitungen ihr Nachrichtenmaterial bezogen,<br />
vom Propagandaministerium kontrolliert. In den täglichen<br />
Reichspressekonferenzen beim Propagandaminister wurden für die<br />
gesamte Presse Richtlinien erlassen, die gelegentlich sogar auf Einzelheiten<br />
der Aufmachung eingingen 5 . Seit dieser Zeit unterschied<br />
sich der VB in der Behandlung politischer Fragen von anderen Zeitungen<br />
nur noch durch Äußerlichkeiten und durch die Schwerpunkte<br />
der Agitation. Da er weiterhin „ Kampfblatt der national-sozialistischen<br />
Bewegung Großdeutschlands" blieb, also Nachrichten nur in<br />
propagandistischer Absicht verhüllt brachte, und die nicht parteigebundenen<br />
Zeitungen mehr oder weniger notgedrungen zu einer stark<br />
selektiven und tendenziösen Berichterstattung übergingen, sank nach<br />
5 Uber die Technik der Presselenkung informiert umfassender und<br />
systematischer als Haie Karl-Dietrich Abel, Presselenkung im NS-Staat.<br />
Wie bei Haie erfährt man freilich auch hier nichts darüber, wie eine Reglementierung<br />
der Presse nach der Machtübernahme möglich war.