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Faschismus-Theorien (VI) / Diskussion - Berliner Institut für kritische ...

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278 Reinhard Kiïhril<br />

arbeitslosigkeit erst nach 1939/40 mit dem Aufschwung der Rüstungsproduktion<br />

überwunden werden — dort unter Aufrechterhaltung<br />

bürgerlich-parlamentarischer Formen —, nicht etwa mit dem sozialstaatlich<br />

orientierten New Deal Roosevelts.) Aus der hemmungslosen<br />

Aufrüstung ging schließlich mit einer ziemlichen Zwangsläufigkeit<br />

der — freilich ohnehin gewünschte und geplante — Krieg hervor: die<br />

wirtschaftliche und finanzielle Lage des Dritten Reiches war 1938/39<br />

so bedrohlich geworden, daß ihm kaum ein anderer Ausweg blieb<br />

(vgl. b 253 ff.).<br />

Von beachtlicher Bedeutung ist schließlich viertens der sozialpsychologische<br />

Aspekt: Die Freund-Feind-Ideologie des <strong>Faschismus</strong>,<br />

die die terroristische Niederwerfung der Linken und die antisemitischen<br />

Ausschreitungen legitimierte, die Rüstungspolitik begleitete<br />

und dann im Krieg kulminierte, fungierte zugleich als Kompensation<br />

für die vorenthaltene Emanzipation und als ideologische Basis einer<br />

„nationalen Solidarität", die sich von selbst aus der Klassengesellschaft<br />

nicht entwickelt hätte, aber durch Terror allein auch nicht zu<br />

erzielen gewesen wäre: Indem die slawischen Völker als Untermenschen<br />

dargestellt wurden, die zum Sklavendienst für das deutsche<br />

Herrenvolk geschaffen waren, konnte erstens auch der gewöhnlichste<br />

deutsche Kleinbürger das erhebende Gefühl erhalten, zu den Auserwählten<br />

zu zählen, und zweitens auch der gänzlich Besitz- und Bedeutungslose<br />

die — übrigens nicht ganz unbegründete — Hoffnung<br />

nähren, die Unterwerfung der slawischen Gebiete werde ihm sozialen<br />

Aufstieg ermöglichen. Und indem das Deutsche Reich als von Feinden<br />

und Neidern umgeben dargestellt wurde, konnten „nationale Solidarität"<br />

und treuer Gehorsam gegenüber den Herrschenden als höchste<br />

Tugend erscheinen. Dieser sozialpsychologische Aspekt kommt in den<br />

Darstellungen aus der Sowjetunion und der DDR entschieden zu<br />

kurz. In diesen Ländern sind in die Marxsche Theorie Elemente der<br />

Psychologie Freuds und seiner Nachfolger bislang kaum eingegangen.<br />

<strong>VI</strong>I.<br />

An dieser Stelle kann die Frage, ob diese Thesen auch auf die übrigen<br />

Faschismen der damaligen Periode zutreffen, nicht geprüft werden.<br />

Ebensowenig die andere nach dem Nutzen solcher historischen<br />

Analysen für das Verständnis der Herrschaftssysteme und ihrer Entwicklungsperspektiven<br />

in den kapitalistischen Ländern der Gegenwart<br />

10 . Aus aktuellem Anlaß sei aber betont, daß sich eine marxistische<br />

<strong>Faschismus</strong>theorie nicht damit begnügen darf, die soziale Funktion<br />

des <strong>Faschismus</strong> festzustellen. In dieser Hinsicht unterscheidet<br />

sich nämlich der <strong>Faschismus</strong> in keiner Weise von anderen Formen<br />

bürgerlicher Herrschaft: Die Aufrechterhaltung des kapitalistischen<br />

Systems ist die zentrale Aufgabe nicht nur des faschistischen, sondern<br />

auch des bürgerlich demokratischen Staates. Das Spezifikum faschi-<br />

10 Über dieses Problem, bis zu welchem Grade der <strong>Faschismus</strong>begriff<br />

sinnvollerweise generalisiert werden kann, liegen noch kaum systematische<br />

Untersuchungen vor.

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