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Kern und Rand. Religiöse Minderheiten aus der Türkei - Zentrum ...

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Gerdien Jonker<br />

des Nationalstaates, bedeutet jedoch eine ständige Gefahr, zu einem gefährlichen<br />

Potential zu werden, wie uns die Beispiele auf dem Balkan <strong>und</strong> in<br />

Indonesien vor Augen führen.<br />

Der deutsche gesetzliche Rahmen zwang die islamischen Gemeinden -<br />

diejenigen, die Wi<strong>der</strong>stand übten, ebenso wie die offiziellen Vertreter des<br />

türkischen Staates - zur Privatisierung. Der <strong>Min<strong>der</strong>heiten</strong>status verhin<strong>der</strong>te<br />

zwar bislang die Entwicklung von Kommunikation <strong>und</strong> Interaktion, er hatte<br />

aber auch eine gute Seite. In den letzten dreißig Jahren haben die islamischen<br />

Gemeinden ihre unterschiedlichen Glaubensansprüche <strong>und</strong> die damit einhergehenden<br />

Konsequenzen, von Intensivierung des Gebets bis hin zur Sozialarbeit,<br />

in aller Ruhe <strong>aus</strong>formulieren <strong>und</strong> institutionalisieren können. Heute<br />

kann man mit Recht von verschiedenen Glaubensgemeinschaften <strong>und</strong> Spielarten<br />

des deutschen Islam reden. "Den" Islam hat es in Deutschland, im Gegensatz<br />

zu den Bestrebungen <strong>der</strong> türkischen Republik, nie gegeben. Die Entwicklung<br />

eines religiösen Lebens im privaten Rahmen, außerhalb des Kontextes<br />

eines Nationalstaates, hat die Möglichkeiten <strong>der</strong> Interaktion vergrößert. Im<br />

folgenden möchte ich die Konsequenzen dieser Entwicklung am Beispiel von<br />

Berlin verdeutlichen.<br />

Meine Überlegungen zur Verortung <strong>der</strong> islamischen Gemeinden im deutschen<br />

Umfeld stützen sich auf Daten, die ich im Winter <strong>und</strong> Frühjahr<br />

1997/1998 in Berlin erhoben habe. In einem interdisziplinären Projektseminar<br />

an <strong>der</strong> Humboldt-Universität zu Berlin besuchte ich gemeinsam mit Studierenden<br />

<strong>der</strong> Islamwissenschaft <strong>und</strong> <strong>der</strong> Stadtsoziologie die Moscheen Berlins,<br />

um das religiöse Gemeindeleben <strong>und</strong> seine innerstädtischen Kommunikationsstrukturen<br />

kennenzulernen. Anhand eines Gesprächsleitfadens befragten<br />

wir 56 <strong>der</strong> 70 Gemeinden nach ihren sozialen <strong>und</strong> religiösen Angeboten, nach<br />

ihren Altersstrukturen, nach <strong>der</strong> wachsenden Partizipation von Frauen in den<br />

Moscheen, nach Kontakten zu den Nachbarn, den benachbarten Kirchen <strong>und</strong><br />

dem Senat, nach den Mieten <strong>und</strong> nach Strategien bei <strong>der</strong> Suche nach neuen<br />

Räumlichkeiten <strong>und</strong> schließlich auch nach ihren Zukunftsplänen. Die zentrale<br />

Frage <strong>der</strong> Untersuchung galt dem Integrationspotential dieser Gemeinden:<br />

Tragen die islamischen Gebetsstätten mit ihrem religiösen Gemeindeleben zu<br />

Integration bei o<strong>der</strong> betreiben sie, wie vielfach in den Medien verbreitet wird,<br />

eine Politik <strong>der</strong> Abschottung, die sich nachteilig auf das Zusammenleben in<br />

Berlin <strong>aus</strong>wirkt?<br />

Die Untersuchung erhob erstmals Daten über den Alltag islamischer Gemeinden,<br />

die für die B<strong>und</strong>esrepublik neue Perspektiven bieten. Der religiöse<br />

Alltag, so stellten wir fest, enthält eine Fülle von Anknüpfungspunkten, um<br />

Brücken <strong>der</strong> Kommunikation mit <strong>der</strong> Mehrheitsgesellschaft zu schlagen. So<br />

sind zum Beispiel die meisten dieser Gemeinden mit Problemen konfrontiert,<br />

<strong>der</strong>en Lösung die vorhandenen professionellen, räumlichen <strong>und</strong> finanziellen<br />

Kapazitäten bei weitem übersteigt. Zwei Drittel <strong>der</strong> ca. 210 000 Einwohner

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