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Kern und Rand. Religiöse Minderheiten aus der Türkei - Zentrum ...

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Gritt M. Klinkhammer<br />

deshalb für die Musliminnen nicht zur plötzlichen Entgrenzung <strong>der</strong> Deutungsmöglichkeiten.<br />

Den Islam zu akzeptieren, also Muslimin zu bleiben, heißt in ihrer Situation,<br />

innerhalb des Islam neue Deutungen zu suchen (vgl. auch die Studie von<br />

Seufert 1997: 319ff.). Insofern ist für beide die distanzierte <strong>und</strong> intellektuelle<br />

Herangehensweise an den Islam durch die Schulreferate ein Anstoß, ja geradezu<br />

eine Auffor<strong>der</strong>ung, dies zu tun. Danach gehen beide Frauen sehr verschiedene<br />

Wege.<br />

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß das entscheidende Deutungsmuster für<br />

Mihribans Verhältnis zum Islam <strong>der</strong> "emanzipatorische Gehalt des wahren<br />

Islam" ist, den sie in <strong>der</strong> Gestalt eines instrumentell-dogmatisierenden Religiositätstyps<br />

umsetzt: Sie löst über die Aneignung des Islam Autoritäts- <strong>und</strong><br />

Loyalitätskonflikte. Darum ist ihr <strong>der</strong> emanzipative Gehalt einerseits <strong>und</strong> die<br />

dogmatische Identifikation eines "wahren Islam" auf dieser Gr<strong>und</strong>lage wichtig.<br />

Denn es geht Mihriban um die Begründung <strong>und</strong> Festschreibung einer islamisch<br />

emanzipativen Orthopraxie.<br />

Mihriban mißt damit in einer Art Bedeutungshierarchie den ihr wichtigeren<br />

"profanen" Wert <strong>der</strong> Gleichberechtigung <strong>der</strong> Geschlechter mit dem Wert des<br />

Islam. Erst die Versicherung, daß <strong>der</strong> Islam die Gleichberechtigung <strong>der</strong> Geschlechter<br />

auf seine Weise för<strong>der</strong>t, versöhnt sie mit ihm. Die religiös offenbarte<br />

Botschaft ist ihr nicht <strong>aus</strong> sich selbst Legitimation für ihre Überzeugung,<br />

son<strong>der</strong>n erst <strong>der</strong>en soziale Wirkung, an <strong>der</strong> sie die religiöse Botschaft mißt.<br />

Der "Wille Allahs" macht für Mihriban erst "Sinn", wenn er ihre Gr<strong>und</strong>überzeugung<br />

von <strong>der</strong> Gleichberechtigung <strong>der</strong> Geschlechter unterstützt. Der Wertmaßstab<br />

ist nicht mehr <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Religion, son<strong>der</strong>n <strong>aus</strong> an<strong>der</strong>en kulturellen Ideen<br />

gewonnen.<br />

Aylas Deutungsmuster für ihre islamische Lebensführung drückt sich in <strong>der</strong><br />

"Suche nach einem Sinn für das Leben" <strong>aus</strong>. Sie gestaltet ihre Religiosität<br />

strukturell durch einen spirituell-ethisierenden Typ. Den Konflikt mit ihren<br />

Eltern über die Rolle <strong>der</strong> Frau hat sie weniger über die Religion gelöst als<br />

vielmehr durch die zunächst innere <strong>und</strong> dann äußere Emigration. Für Ayla<br />

bedeutet zwar die persönliche Beziehung zu Gott eine gewisse individuelle<br />

Freiheit im Umgang mit "traditionellen" Regeln des Islam. Und auch <strong>der</strong> Koran<br />

ist ihr dadurch eher meditatives spirituelles Instrument als dogmatische Glaubensgr<strong>und</strong>lage.<br />

Aber Ziel <strong>der</strong> spirituellen, ethisierenden Religiosität scheint<br />

vor allem die Suche nach einem höheren Wert im Leben zu sein, <strong>der</strong> sich in <strong>der</strong><br />

Suche nach einem harmonischen <strong>und</strong> sozialen Miteinan<strong>der</strong> auch unter Nicht-<br />

Muslimen konkretisiert. <strong>Religiöse</strong>s Handeln ist für Ayla wesentlich durch ein<br />

ethisches, sozial verbindendes Engagement bestimmt. Hierin sieht sie Sinn <strong>und</strong><br />

Aufgabe von Religionen.

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