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Kern und Rand. Religiöse Minderheiten aus der Türkei - Zentrum ...

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Gaby Straßburger<br />

Mit diesen Ausführungen soll nun keineswegs <strong>der</strong> Eindruck erweckt werden,<br />

daß jede Ehe mit einem Partner <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Türkei</strong> eine Verwandtschaftsehe wäre.<br />

Selbst bei den von Böcker analysierten Eheschließungen <strong>der</strong> erst in ihrer Jugend<br />

migrierten "Zwischengeneration" handelte es sich nur in <strong>der</strong> Hälfte <strong>der</strong> Fälle um<br />

Verwandtschaftsehen. In dem Maß, in dem die Vertrautheit zu Nachbarn,<br />

Kollegen <strong>und</strong> Landsleuten in <strong>der</strong> Migrationsumgebung steigt <strong>und</strong> auch in <strong>der</strong><br />

<strong>Türkei</strong> Urlaubsorte <strong>und</strong> (Re-)Migrantensiedlungen zu neuen Bezugsorten<br />

werden, besteht immer weniger Anlaß, eine Ehe mit Verwandten <strong>aus</strong> dem<br />

Herkunftsort zu arrangieren.<br />

Total arrangierte, teil-arrangierte <strong>und</strong> selbst organisierte Eheschließungen<br />

Ein weiterer Aspekt, <strong>der</strong> zum Rückgang von Eheschließungen mit Partnern <strong>aus</strong><br />

dem Herkunftsort beitragen könnte, weil er eventuell von <strong>der</strong> zweiten Generation<br />

negativ beurteilt wird, besteht darin, daß es sich bei diesen Ehen meist um<br />

arrangierte Ehen handelt. Allerdings ist die Ablehnung arrangierter Ehen in <strong>der</strong><br />

zweiten Generation keineswegs so stark wie oft vermutet wird (vgl. Basit 1996:<br />

17 u. Stopes-Roe/Cochrane 1990: 40). Auch bleibt es eine offene Frage, ob <strong>der</strong><br />

Anteil <strong>der</strong>jenigen, die eine arrangierte Ehe ablehnen, durch die Migration steigt<br />

<strong>und</strong> in <strong>der</strong> zweiten Generation höher ist als in <strong>der</strong> ersten. Schließlich gibt es auch<br />

in <strong>der</strong> ersten Generation etliche, die eine arrangierte Ehe mißbilligen <strong>und</strong> dies<br />

nicht erst seit sie in Europa leben.<br />

Die meisten interviewten Angehörigen <strong>der</strong> zweiten Generation neigen statt zu<br />

einer völligen Ablehnung eher zu einem differenzierten Urteil. Sie lehnen zwar<br />

total arrangierte Ehen ab, können aber teil-arrangierten Ehen durch<strong>aus</strong> positive<br />

Seiten abgewinnen. Während bei einer total arrangierten Ehe die künftigen<br />

Ehepartner nur ein eher symbolisches Veto besitzen, mit dem sie <strong>der</strong> Partnerwahlentscheidung,<br />

die zwischen zwei Familien gefallen ist, im Nachhinein<br />

wi<strong>der</strong>sprechen können, kommt ihnen bei einer teil-arrangierten Ehe wesentlich<br />

mehr Entscheidungsmacht zu. Die Formen teil-arrangierter Ehen sind variabel<br />

<strong>und</strong> reichen von Ehen, bei denen die Heiratskandidaten auf <strong>der</strong> Basis einer<br />

Vor<strong>aus</strong>wahl, die von den Eltern getroffen wurde, entscheiden, wen sie heiraten<br />

möchten, bis zu Ehen, bei denen die Partner sich ohne aktives Zutun Dritter<br />

kennenlernen <strong>und</strong> beschließen zu heiraten, bevor sie sich um Zustimmung ihrer<br />

Eltern bemühen <strong>und</strong> diese bitten, die Heirat für sie zu arrangieren. Eine selbst<br />

organisierte Eheschließung zeichnet sich hingegen dadurch <strong>aus</strong>, daß die Partner<br />

für alle Phasen <strong>der</strong> Partnerwahl <strong>und</strong> Eheschließung die alleinige Verantwortung<br />

tragen.<br />

Bis zu welchem Grad eine Partnerwahl arrangiert ist, ist nicht daran geb<strong>und</strong>en,<br />

ob es sich um eine Ehe handelt, bei <strong>der</strong> <strong>der</strong> potentielle Partner im Herkunfts-<br />

o<strong>der</strong> im Ankunftsland lebt. Zwar sind die Eheschließungen mit Partnern

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