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Kern und Rand. Religiöse Minderheiten aus der Türkei - Zentrum ...

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Dursun Tan<br />

Rechtsprechung, <strong>der</strong> Konfliktregulierung, <strong>der</strong> mimetischen <strong>und</strong> ästhetischen<br />

Vermittlung von religiösem Empfinden haben. Das geschah durch Erzeugung<br />

von Stimmungen, die Spiritualität <strong>und</strong> Transzendenz ermöglichten.<br />

Genau dieser Unterschied kennzeichnet die strukturelle Säkularisierung.<br />

Säkularisierung ist nach Luhmann (1982) eine <strong>der</strong> Konsequenzen <strong>der</strong> funktionalen<br />

Ausdifferenzierung <strong>der</strong> Gesellschaft, in dem je<strong>der</strong> Funktionsbereich<br />

höhere Eigenständigkeit <strong>und</strong> Autonomie gewinnt, aber auch abhängiger vom<br />

Funktionieren <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Funktionsbereiche wird. Säkularisierung ist in erster<br />

Linie kein voluntativer Akt, son<strong>der</strong>n das Produkt einer komplizierten sozialen<br />

Evolution. Der Höhepunkt <strong>und</strong> zugleich die Hauptantriebskraft dieses Prozesses<br />

war im Westen die mo<strong>der</strong>ne Industriegesellschaft. Auch bedeutet die<br />

Säkularisierung keine Abschaffung <strong>der</strong> Religion, weil in einem funktional<br />

<strong>aus</strong>differenzierten System die Religion nur eine an<strong>der</strong>e soziale Bedeutung<br />

gewinnt, also erhalten bleibt (Tibi 1981: 164ff.), obgleich Ahlers (1997) die<br />

Säkularisierung im westlichen Europa als Ideologie deutet, da sie seiner Ansicht<br />

nach lediglich die Entkirchlichung <strong>der</strong> Religion, nicht aber einen prinzipiellen<br />

Funktionswandel zur Folge hatte. "Doch als gesellschaftlicher Prozeß läßt sich<br />

Säkularisierung nicht verordnen; sie ist keine Ideologie, son<strong>der</strong>n ein sozialer <strong>und</strong><br />

politischer Wandel" (Tibi 1998: 86). Die Betonung liegt hier auf den<br />

strukturellen Bedingungen <strong>der</strong> Säkularisierung. Säkularisierung bedarf<br />

gesellschaftlicher Verän<strong>der</strong>ungen, die zum Wandel <strong>der</strong> traditionellen Anschauungen<br />

beitragen, wenn sie nicht bloße Ideologie sein soll (Tibi 1988: 84ff.). Um<br />

die Grenze zwischen dem Säkularismus als Ideologie <strong>und</strong> <strong>der</strong> Säkularisierung als<br />

Prozeß genauer zu markieren, halte ich es für sinnvoll, letztere als "strukturelle<br />

Säkularisierung" zu kennzeichnen, auch um deutlich zu machen, daß mit dem<br />

Begriff nicht nur die formale Trennung von Staat <strong>und</strong> Religion, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong><br />

prinzipiellen Wandel ehemaliger Deutungsmuster, die Profanisierung ehemalig<br />

sakraler Deutungen, aber auch die Sakralisierung neuer o<strong>der</strong> ehemalig profaner<br />

Dinge erfaßt werden sollen.<br />

Die Wandlungen betreffen auch die inneralevitischen Machtbalancen zwischen<br />

Traditionalisten <strong>und</strong> Mo<strong>der</strong>nisten. Erstere halten fest am vererbten amt des<br />

Priesters (dede: Großvater). Aus <strong>der</strong> Laienkaste entwickelte sich eine mo<strong>der</strong>ne<br />

intellektuelle Schicht. Auf die Institution bezogen, betreffen sie die Spannung<br />

zwischen Erbamt <strong>und</strong> Wahlamt. Demnach sind die Wandlungen gr<strong>und</strong>sätzlicher<br />

Natur.<br />

"Dabei folgen die rezenten Entwicklungen im Alevitum einem im Nahen<br />

<strong>und</strong> Mittleren Osten geläufigen Muster <strong>der</strong> Laizisierung ethnischreligöser<br />

Bewegungen ..., die sich vor allem in den Führungsansprüchen<br />

relativ breiter neuer Mittelschicht-Eliten ... <strong>aus</strong>drückt...<br />

(Zunehmend) übernehmen nun Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> neuen,<br />

weitgehend säkularisierten alevitischen Intelligenzija - von denen die<br />

meisten <strong>der</strong> Laienschicht angehören - die Aufgabe als 3Wegweiser3

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