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Kern und Rand. Religiöse Minderheiten aus der Türkei - Zentrum ...

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Einleitung<br />

In diesem Band geht es um religiöse <strong>Min<strong>der</strong>heiten</strong>, die gleichzeitig o<strong>der</strong> in historischer<br />

Abfolge durch die Ausgrenzung in zwei nationalstaatlichen Kontexten geprägt worden<br />

sind: in <strong>der</strong> <strong>Türkei</strong> <strong>und</strong> Deutschland. Der Rahmen, in dem sie zu religiösen<br />

<strong>Min<strong>der</strong>heiten</strong> wurden, war in beiden Län<strong>der</strong>n unterschiedlich. Und auch die<br />

Konsequenzen dieser Definition sahen in <strong>der</strong> <strong>Türkei</strong> an<strong>der</strong>s <strong>aus</strong> als in Deutschland.<br />

Trotzdem sind beide Ausgrenzungsprozesse aufeinan<strong>der</strong> zu beziehen, weil sie<br />

entscheidend zur Artikulierung <strong>der</strong> <strong>Min<strong>der</strong>heiten</strong>position beigetragen haben. Die<br />

meisten Beiträge in diesem Band gehen auf Vorträge zurück, die im Rahmen des Symposiums<br />

<strong>Kern</strong> <strong>und</strong> <strong>Rand</strong>: Gegenwärtige Prozesse <strong>der</strong> religiösen Pluralisierung<br />

zwischen türkischen Migranten in <strong>der</strong> deutschen Diaspora (25.-26. September 1998)<br />

im <strong>Zentrum</strong> Mo<strong>der</strong>ner Orient in Berlin diskutiert wurden.<br />

<strong>Religiöse</strong> <strong>Min<strong>der</strong>heiten</strong> in <strong>der</strong> <strong>Türkei</strong><br />

In <strong>der</strong> türkischen Republik gehörte es bis in die achtziger Jahre zum nationalen<br />

Selbstverständnis, Muslim zu sein. Der Staat besaß zudem das Monopol zu definieren,<br />

was "Islam" war. Unter diesem Gesichtspunkt zählte in <strong>der</strong> <strong>Türkei</strong> zur religiösen<br />

Min<strong>der</strong>heit, wer nicht von <strong>der</strong> staatlichen Religionsbehörde verwaltet <strong>und</strong> betreut<br />

wurde. Mit <strong>der</strong> Errichtung des Diyanet IÕleri BaÕkanlar9 (DIB), des Amtes für<br />

Kultusangelegenheiten, im Jahre 1926 in Ankara hatte die türkische Republik eine<br />

religiöse Kontrollinstanz geschaffen. Was hier geprobt wurde, war ein streng<br />

praktizierter Laïzismus nach französischem Vorbild. Dieser implizierte nicht die<br />

Trennung von Staat <strong>und</strong> Religion, son<strong>der</strong>n die Kontrolle des Staates über die Angelegenheiten<br />

<strong>der</strong> Religion, ob diese nun die Ausbildung, den Unterricht, die Predigt o<strong>der</strong><br />

die Glaubensinhalte betrafen. Die türkische Republik schuf damit Bedingungen für die<br />

muslimische Glaubensfreiheit, die in Deutschland keine Kirche auf diese Weise hätte<br />

akzeptieren können. Das staatliche Monopol wachte zudem über ein bestimmtes<br />

Verständnis von Islam, das u.a. die mystische Traditionen ablehnte.<br />

Die Kontrolle rief Wi<strong>der</strong>stand hervor. Es bildeten sich religiöse Gruppen, die sich<br />

entwe<strong>der</strong> an <strong>der</strong> herkömmlichen Weitergabe des islamischen Wissens o<strong>der</strong> aber an <strong>der</strong><br />

persönlichen Verantwortung orientierten. Die Bildung solcher islamischer Gruppen<br />

wurde vom Staat bis in die sechziger Jahre verfolgt <strong>und</strong> mit Gefängnis bestraft.<br />

Dadurch entwickelte sich unter den Mitglie<strong>der</strong>n ein Wi<strong>der</strong>standspotential, das ihnen<br />

erlaubte, an ihrem Glauben festzuhalten. So unterrichtete Süleyman Hilmi Tunahan<br />

seine Schüler - niemals mehr als zwei zugleich - während <strong>aus</strong>gedehnter Spaziergänge<br />

o<strong>der</strong> auf Fahrten mit den öffentlichen Linienbussen durch Istanbul in <strong>der</strong> klassischen<br />

islamischen Theologie.<br />

Diejenigen religiösen Gruppen, die nicht zum orthodoxen Islam gehörten -<br />

heterodoxe Muslime, Christen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e, die bereits im Osmanischen Reich als<br />

religiöse <strong>Min<strong>der</strong>heiten</strong> definiert worden waren - wurden mit <strong>der</strong> Einrichtung des DIB

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