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Kern und Rand. Religiöse Minderheiten aus der Türkei - Zentrum ...

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Aleviten in Deutschland<br />

-die weltweit zu beobachtende Tendenz <strong>der</strong> Politisierung <strong>der</strong> Identitäten,<br />

insbeson<strong>der</strong>e von religiösen Identitäten, <strong>der</strong> auch die Aleviten folgen. In<br />

<strong>der</strong> <strong>Türkei</strong> kam noch <strong>der</strong> Faktor hinzu, daß nach dem Militärputsch von<br />

1980 <strong>der</strong> orthodoxe Islam von den Machthabern bewußt als eine integrative<br />

Ideologie politisiert wurde. In diesem Zusammenhang wurde z.B.<br />

islamischer Religionsunterricht in den Schulen als Pflichtfach eingeführt,<br />

dessen sunnitische Ausrichtung von frommen Aleviten als Diskriminierung<br />

gedeutet wurde; -das wachsende Selbstbewußtsein von <strong>Min<strong>der</strong>heiten</strong><br />

aufgr<strong>und</strong> des postmo<strong>der</strong>nen Differenzdiskurses, das dem "alevitischen<br />

Erwachen" Rückenwind gab;<br />

-die Erfahrung assimilationsbereiter Aleviten, trotz <strong>der</strong> Assimilation an die<br />

Mehrheitskultur <strong>und</strong> Verleugnung ihrer alevitischen Identität vor Anfeindungen<br />

<strong>und</strong> Verachtungen nicht sicher zu sein.<br />

Unter <strong>der</strong>artigen Umständen verän<strong>der</strong>t sich laut Goffman (ebd.) das Stigmamanagement<br />

dahingehend, daß die Merkmale des Stigmas sich offensiv nach<br />

außen wenden, wie das sehr prägnant an <strong>der</strong> amerikanischen Black-Power-<br />

Bewegung zu beobachten war, die mit dem Slogan "black is beautiful" das<br />

Merkmal des Stigmas positiv umdeutete. Auf die Aleviten bezogen heißt das:<br />

"Das erste Mal in ihrer mo<strong>der</strong>nen Geschichte begeben sie sich in die<br />

Öffentlichkeit <strong>und</strong> bekennen sich demonstrativ zu ihrer stigmatisierten<br />

Identität. Noch nie artikulierten sie dem Staat gegenüber<br />

<strong>der</strong>art offen ihre kollektiven Interessen <strong>und</strong> for<strong>der</strong>ten ihre Gleichberechtigung<br />

mit <strong>der</strong> sunnitischen Mehrheit" (Kehl-Bodrogi a.a.O.:<br />

272)<br />

Das deutet auf ein gestärktes Selbstbewußtsein <strong>und</strong> eine verän<strong>der</strong>te Beziehung<br />

zur Gesellschaft <strong>und</strong> damit auf einen Strukturwandel hin. Aber welche Bereiche<br />

<strong>und</strong> Funktionen werden von diesen Verän<strong>der</strong>ungen betroffen, <strong>und</strong> wie<br />

gr<strong>und</strong>legend sind sie? Im folgenden soll auf die wichtigsten näher eingegangen<br />

werden.<br />

Funktionswandel <strong>der</strong> religiösen Zeremonien<br />

"Die in den Städten heute durchgeführten cem haben einen Funktionswandel<br />

erfahren. Sie sind 3Anschauungsunterricht3 in alevitischer<br />

Tradition geworden, wo die mittlere <strong>und</strong> junge Generation etwas über<br />

die Glaubens- <strong>und</strong> Lebensart <strong>der</strong> Vorfahren erfahren soll" (ebenda).<br />

Die ayin-i cem sind somit symbolische Orte <strong>der</strong> Pflege von Brauch <strong>und</strong> Tradition<br />

geworden - eine Vergemeinschaftungsform qua symbolischer Handlungen, Orte,<br />

an denen das kollektive Gedächtnis erhalten <strong>und</strong> aufgefrischt wird, die aber nicht<br />

mehr die materielle Funktion des dörflich-traditionellen Kontextes <strong>der</strong><br />

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