Kern und Rand. Religiöse Minderheiten aus der Türkei - Zentrum ...
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Gerdien Jonker<br />
72 Moscheen in Berlin - das mag manchem als große Zahl erscheinen. Rechnet<br />
man die Jugend-, Sport- <strong>und</strong> Frauenvereine dazu, die zu den verschiedenen<br />
islamischen Organisationen gehören, so steigt die Zahl sogar auf 104 islamische<br />
Begegnungsstätten. Vergleicht man diese Zahl jedoch mit den Zahlen für<br />
die Evangelischen Kirchen (393), die Römisch-Katholischen Kirchen (171)<br />
<strong>und</strong> die ca. 30 an<strong>der</strong>en christlichen Denominationen (368), fällt sie wie<strong>der</strong>um<br />
relativ niedrig <strong>aus</strong> (Daten des Statistischen Landesamtes Berlin, August 1998).<br />
Nimmt man die vielen orientalischen Migrantenkirchen <strong>und</strong> die<br />
Religionsgemeinschaften <strong>der</strong> Juden, Buddhisten, Baha'i, Yeziden, Aleviten,<br />
Hindus <strong>und</strong> Sikhs hinzu, ergibt sich für die islamischen Gebetsstätten eine Zahl<br />
von 12 auf h<strong>und</strong>ert religiöse Versammlungsräume in Berlin insgesamt. Diese<br />
Zahl ist nicht hoch, aber auch nicht zu übersehen.<br />
Von diesen islamischen Gebetsstätten sind die meisten sunnitisch (68) <strong>und</strong><br />
einige wenige schiitisch (4) orientiert. Ihre große Heterogenität <strong>und</strong> das Ausmaß<br />
ihrer religiösen Differenzierung ist indes drei Gründen geschuldet.<br />
Sprachliche Unterschiede<br />
In <strong>der</strong> Vergangenheit haben die Gemeinden sich entlang den Bruchlinien <strong>der</strong><br />
verschiedenen Sprachen <strong>und</strong> Nationalitäten formiert. Diese Grenzziehung<br />
wirkt sich noch immer auf die Sprache <strong>aus</strong>, in <strong>der</strong> in einer Moschee gepredigt<br />
wird. Nach diesem Kriterium gibt es heute 56 türkische, sechs arabische, drei<br />
kurdische, eine albanische, eine bosnische, zwei englisch-pakistanische, eine<br />
indonesische <strong>und</strong> zwei deutschsprachige Moscheen. Die<br />
Verständigungssprache in einer Reihe von Moscheen ist bereits Deutsch, <strong>und</strong><br />
auch Kurse <strong>und</strong> religiöser Unterricht finden in deutsch statt.<br />
Der lange Schatten <strong>der</strong> türkischen Vergangenheit<br />
Eine weitere religiöse Differenzierung, die in <strong>der</strong> Vergangenheit vor allem die<br />
56 türkischen Moscheen prägte, entspringt <strong>der</strong> türkischen Geschichte. Als 1926<br />
die junge türkische Republik den Volksislam <strong>und</strong> insbeson<strong>der</strong>e die Sufiorden<br />
verbot <strong>und</strong> die Kontrolle des Staates über die Religion institutionalisierte, rief<br />
diese Maßnahme eine große Opposition hervor. Diese nahm im Laufe des<br />
Jahrh<strong>und</strong>erts unterschiedliche Sozialgestalten an. Ein Teil <strong>der</strong> Opposition<br />
konzentrierte sich auf eine Intensivierung des Glaubens <strong>und</strong>, damit einhergehend,<br />
auf die Vertiefung <strong>der</strong> religiösen Kenntnisse <strong>und</strong> Verbesserung ihrer<br />
Weitergabe. Spirituelle Führer <strong>und</strong> Vormänner dieser pietistischen Bewegungen<br />
waren u.a. Süleyman Hilmi Tunahan (gest. 1959) <strong>und</strong> Bediüzzaman