Kern und Rand. Religiöse Minderheiten aus der Türkei - Zentrum ...
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Gaby Straßburger<br />
Diese Differenzierung bewirkt, daß Eheschließungen mit am Herkunftsort<br />
lebenden Partnern für Migranten an Attraktivität verlieren. Beson<strong>der</strong>s deutlich<br />
wird dies an <strong>der</strong> sich än<strong>der</strong>nden Einstellung gegenüber Verwandtschaftsehen.<br />
Diese hatten in <strong>der</strong> Anfangszeit <strong>der</strong> Migration zunächst an Bedeutung gewonnen,<br />
weil man durch sie die schwierige Aufgabe lösen konnte, in einer durch<br />
Fremdheit <strong>und</strong> Isolation charakterisierten Situation zuverlässige Partner zu<br />
finden. Doch im Lauf <strong>der</strong> Zeit kehrt sich das Verhältnis von Vertrautheit <strong>und</strong><br />
Fremdheit tendenziell um <strong>und</strong> neue Orte in Deutschland <strong>und</strong> in <strong>der</strong> <strong>Türkei</strong><br />
werden immer vertrauter, so daß Ehepartner zunehmend auch dort gesucht<br />
werden. Der Herkunftsort hingegen, <strong>der</strong> insbeson<strong>der</strong>e von <strong>der</strong> in Deutschland<br />
geborenen zweiten Generation in erster Linie mit Besuchen bei Verwandten in<br />
Verbindung gebracht wird, verliert seine Funktion als Heiratsmarkt.<br />
Insgesamt verlagert sich <strong>der</strong> bisherige <strong>Kern</strong>bereich <strong>der</strong> inner-türkischen Partnerwahl<br />
nicht nur vom Herkunftsort in an<strong>der</strong>e Regionen <strong>der</strong> <strong>Türkei</strong>, son<strong>der</strong>n<br />
zudem auch in die B<strong>und</strong>esrepublik. Ehen werden zunehmend innerhalb <strong>der</strong><br />
zweiten Generation geschlossen, was dazu führt, daß in vielen Familien die<br />
älteren Geschwister mit Partnern <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Türkei</strong>, die jüngeren Geschwister<br />
hingegen mit Partnern <strong>aus</strong> Deutschland verheiratet sind.<br />
Die Verschiebungen, die sich innerhalb des inner-türkischen Heiratsverhaltens<br />
beobachten lassen, zeigen letztendlich, wie sich das Verständnis von <strong>Kern</strong><br />
<strong>und</strong> <strong>Rand</strong> des sozialen Raumes än<strong>der</strong>t, in dem die Akteure ihre Eigengruppe<br />
ansiedeln. Dabei sind die Verän<strong>der</strong>ungen nicht so sehr durch die Generationsunterschiede<br />
bedingt, als vielmehr durch den fortschreitenden Migrations- bzw.<br />
Nie<strong>der</strong>lassungsprozeß. Sie vollziehen sich tendenziell in <strong>der</strong> gesamten Migrantenbevölkerung<br />
<strong>und</strong> sind nicht auf die zweite Generation beschränkt. Insofern<br />
sind sie nicht durch einen Generationsgegensatz charakterisiert, son<strong>der</strong>n durch<br />
den Unterschied zwischen <strong>der</strong> Situation <strong>der</strong> achtziger <strong>und</strong> <strong>der</strong> neunziger Jahre.<br />
Dies wird nicht zuletzt darin augenfällig, daß in vielen Familien die Schwiegertöchter<br />
<strong>und</strong> -söhne <strong>aus</strong> verschiedenen Orten stammen, teils in <strong>der</strong> <strong>Türkei</strong> <strong>und</strong><br />
teils in Deutschland aufgewachsen sind <strong>und</strong> außerdem ihre Heirat in unterschiedlichem<br />
Ausmaß arrangiert bzw. selbst organisiert worden ist.<br />
Literatur<br />
Alba, Richard D./Reid M. Golden 1986. Patterns of Ethnic Marriage in the<br />
United States. In: Social Forces, 65, 1, S. 202-223.<br />
Basit, Tehmina N. 1996. "Obviously I'll have an Arranged Marriage": Muslim<br />
Marriage in the British Context. In: Muslim Education Quarterly, 13, S. 4-19.