Kern und Rand. Religiöse Minderheiten aus der Türkei - Zentrum ...
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Neue Islamische Weiblichkeit als Alternative<br />
"Die Mutter war auch * gebildet, also hatte auch eine hohe Schulbildung gehabt.<br />
Und diese Mutter hat dann irgendwie sechs Töchter hier bekommen.<br />
Und das sind wirklich Töchter, die hier aufgewachsen sind. Also die haben<br />
nichts mit-, von Marokko mitgebracht wie ich, <strong>und</strong> trotz alledem, * ja, mit<br />
Kopftuch <strong>und</strong> so. Also sie, sie haben halt dieses Islamische von <strong>der</strong> Mutter<br />
vermittelt bekommen <strong>und</strong>, <strong>und</strong> diese Mädchen, also das ist nicht wie, also,<br />
ich hab dann halt gemerkt, das war richtig Überzeugung stand dahinter.<br />
Steckte dahinter einfach. Weil, dieses Mädchen hatte eine Schwester ... die<br />
ist Stationsärztin in X, auch mit Kopftuch, also, praktisch sich *, auch mit<br />
Kopftuch durchgesetzt, sie hat auch Schwierigkeiten gehabt, also, das ist<br />
ganz klar. Und *, irgendwie, daß diese Mutter das geschafft hat, * diese<br />
Mädchen irgendwie auch so, also es sind ganz offene Mädchen, also trotz, *<br />
die haben den Islam auch so verstanden, wie er ist ... Und auch so, daß, daß<br />
die sowas wie, daß die Eltern z.B. Hochzeitstag feierten, also es war auch<br />
so ein bißchen deutsch, sie haben auch viele deutsche Eigenheiten<br />
angenommen ... Hochzeitstag, Geburtstag gefeiert haben <strong>und</strong> auch mal so<br />
ein Ferienh<strong>aus</strong> im Schwarzwald besaßen, also auch so, * so bestimmte<br />
Sachen an sich hatten. Und das hat mir echt gefallen, also, daß sie auch zu<br />
H<strong>aus</strong>e, also bei uns Marokkanerinnen ist das nicht so, daß sie sich auch,<br />
daß sie ein Friseur hatten, wo sie hingingen, auch * so, wie eine Deutsche,<br />
sich auch mal frisieren <strong>und</strong> zu H<strong>aus</strong>e praktisch, * richtig auch frisiert<br />
rumlaufen. Nicht, nicht lange Haare <strong>und</strong> irgendwie steckt man sie so, ja.,<br />
son<strong>der</strong>n, richtig mit * Färben <strong>und</strong> wie <strong>und</strong> wie auch immer, also *, ja also<br />
auch, das war auch durch<strong>aus</strong> islamisch erlaubt 7 , ja. Nur, * halt ohne<br />
Tradition, weil sie auch hier ohne aufgewachsen sind. Also ohne irgendwelche<br />
Schnörkeleien o<strong>der</strong> so. Und <strong>der</strong> Vater hat auch nie daran gedacht,<br />
eine an<strong>der</strong>e Frau zu heiraten o<strong>der</strong> so, weil die Frau ihm auch nur Töchter<br />
geboren hat o<strong>der</strong> so, bei uns wäre das <strong>und</strong>enkbar, also, dann, man muß noch<br />
mal heiraten, um einen Sohn zu bekommen <strong>und</strong> so, ne."<br />
Für Fatima verbindet sich mit dieser Frau, die so völlig im Kontrast zur eigenen<br />
Mutter steht, ein Universum des mo<strong>der</strong>nen universalistischen "zivilisierten"<br />
Islam, <strong>der</strong> sich entfalten kann ohne die Machtgefälle, die die Tradition installiert,<br />
ohne die Beschränkungen, auf die die Tradition insistiert, indem sie islamische<br />
Regelungen da ansetzt, wo sie nichts zu suchen haben. Der Rückschnitt auf den<br />
"wahren", den "originalen" Islam, so kann man <strong>aus</strong> dieser Passage her<strong>aus</strong>lesen,<br />
bedeutet somit einerseits mehr Anspannung durch die höhere Systematisierung;<br />
an<strong>der</strong>erseits aber auch Entspannung durch die Zulassung alltagweltlicher<br />
Praktiken <strong>und</strong> Regulierungen, die nicht <strong>der</strong> islamischen Regulierung unterliegen,<br />
aber ihr auch nicht wi<strong>der</strong>sprechen, so daß kein Gr<strong>und</strong> vorliegt, sie zu negieren.<br />
Damit kommt <strong>der</strong> de- <strong>und</strong> rekonstituierende Charakter zum Tragen. Für Fatima<br />
ist diese "hohe islamische Frau" <strong>der</strong> konkrete Anzeiger eines möglichen<br />
universalistischen Diaspora-Islam, dessen Verwirklichung bei den Individuen<br />
liegt.<br />
201