Kern und Rand. Religiöse Minderheiten aus der Türkei - Zentrum ...
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Gritt M. Klinkhammer<br />
Das Referat stellt Ayla zwar als entscheidenden Anstoß für ihr Leben dar,<br />
durch den ihr "religiöses Leben begonnen" habe. Von einer praktischen Umsetzung<br />
<strong>und</strong> Annahme des Islam berichtet sie allerdings erst im Zusammenhang<br />
mit einem <strong>der</strong> regelmäßigen familiären <strong>Türkei</strong>aufenthalte. Die in <strong>der</strong> Folge von<br />
ihr vollzogene eher traditionelle Übernahme <strong>der</strong> praktischen Regeln des Islam<br />
<strong>und</strong> die Anpassung des deutschen Lebens an ihre Erfahrungen in <strong>der</strong> <strong>Türkei</strong><br />
führt Ayla nur am <strong>Rand</strong>e an. Denn diese Form <strong>der</strong> Aneignung des Islam paßt<br />
nicht mehr zu ihrem heutigen Religionsverständnis. So weist sie lediglich<br />
darauf hin, daß sie in den Ferien in <strong>der</strong> <strong>Türkei</strong> Kopftuch trug <strong>und</strong> daß sie<br />
mitgebetet habe, "wenn Gebetszeiten waren". Bei ihrer Rückkehr sei ihr die<br />
Umstellung in das ganz an<strong>der</strong>e, von <strong>der</strong> Religion nicht geprägte Leben in<br />
Deutschland immer schwer gefallen. Mit 16 Jahren habe sie dann nach einem<br />
solchen <strong>Türkei</strong>aufenthalt das "starke Bedürfnis gehabt, islamisch zu leben".<br />
Bisher war es für sie eine bedeutungslose, von den Eltern <strong>und</strong> Verwandten<br />
nahegelegte Praxis, die sich nur auf das Leben in <strong>der</strong> <strong>Türkei</strong> bezog. In<br />
Deutschland habe sie sich erst nicht getraut, die islamischen Praktiken fortzusetzen.<br />
Mit einer Fre<strong>und</strong>in zusammen habe sie gebetet <strong>und</strong> den Islam für<br />
sich zuh<strong>aus</strong>e praktiziert. Nach einem solchen Gebet habe sie sich dann aber<br />
spontan entschlossen, das Kopftuch auch in Deutschland öffentlich anzulegen:<br />
"Und dann hab' ich mit meiner Fre<strong>und</strong>in ... zusammen angefangen, den<br />
Islam damals zu leben. Und ich kann mich an einmal erinnern, als ich<br />
gebetet hab' <strong>und</strong> ich hab' eh von mir, also ich weiß nicht wie ich das, also<br />
ich hatte das starke Bedürfnis zu beten. Dann hab' ich gebetet <strong>und</strong> ich<br />
kann mich noch ganz gut an dieses Gebet erinnern, weil ehm, ich hab' mir<br />
dann dieses Gebet hat mir sehr sehr viel gegeben. Und eh, da, das war<br />
dann <strong>der</strong> Auslöser, daß ich gedacht hab', nee, tut mir leid, ich möchte,<br />
egal was ist, ich laufe, das war an einem Donnerstag, ich laufe am<br />
Montag mit einem eh Kopftuch rum [lacht]."<br />
Ayla schil<strong>der</strong>t ihre Geschichte <strong>der</strong> Annäherung an den Islam als eine Mischung<br />
<strong>aus</strong> bewußter kognitiver Beschäftigung mit den Inhalten des Islam im Referat,<br />
einer eher traditionellen Annahme <strong>und</strong> Identifikation mit dem Islam als ihre<br />
Religion durch den <strong>Türkei</strong>aufenthalt <strong>und</strong> einer existentiell <strong>und</strong> emotional<br />
motivierten Suche nach Sinn in <strong>der</strong> Phase <strong>der</strong> Depression <strong>und</strong> später im Gebet<br />
nach einer Beziehung zu Gott. Über die Anfänge ihres aktiven Muslim-Seins<br />
urteilt Ayla, daß sie sich damals vor allem an "oberflächlichen" Elementen des<br />
Islam orientiert habe wie am Ritualgebet <strong>und</strong> an <strong>der</strong> islamischen Kleidung.<br />
Heute sieht sie ihr Muslim-Sein vor allem durch innere Merkmale gekennzeichnet.<br />
Darum begann sie ihre Erzählung im Interview zunächst mit einer<br />
Problematisierung <strong>der</strong> Erzählbarkeit, da <strong>der</strong> Prozeß <strong>der</strong> Hinwendung auch<br />
"unbewußt" verlaufen sei, das heißt, zudem eine innere Dimension gehabt<br />
habe, die sie rational <strong>und</strong> reflexiv nicht vollständig einordnen könne. Dies<br />
spiegelt sich auch in ihrer sparsamen Fokussierung des Umschwungs wi<strong>der</strong>: